Muskatkürbis, Walnüsse, Räucheraal, Kohlsprossen und Orange.

Muskatkürbis, Walnüsse, Räucheraal, Kohlsprossen und Orange.
Ein Gericht steht im Mittelpunkt der Reihe „The Dish“. Ein Gericht, dass geschmacklich und konzeptionell heraussticht, und für das jeweilige Restaurant steht. Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Was hat sich der Koch dabei gedacht? Woher stammen die Zutaten. Ein Deep Dive in den Teller quasi.

Marco Langer - Muskatkürbis, Walnüsse, Räucheraal, Kohlsprossen und Orange.
Bei dieser Aufzählung merkt man wohl sofort, es ist Herbst und dieser wird mit dem heutigen Gericht sowohl optisch als auch geschmacklich perfekt eingefangen. Dazu später mehr.
Erst seit drei Monaten ist Marco Langer zum Zeitpunkt unseres Besuches Inhaber des Restaurants Stephans Stuben in Neu-Ulm, seiner Heimatstadt. Den Namen des renommierten Traditionslokals, bei dem er schon als Kind zu Gast war, hat Langer übrigens bewusst behalten, das Interieur jedoch mit Respekt mit edlem Grau stilvoll modernisiert. Bis vor einigen Tagen stand er noch komplett allein in der Küche. Da kann noch nicht alles wie am Schnürchen klappen, sollte man zumindest denken. Doch der 43-jährige belehrt uns eines Besseren: Jeder Gang des 6-Gang-Menüs kommt zum idealen Zeitpunkt, ist wunderschön angerichtet und schmeckt, der Service ist aufmerksam, aber nicht aufdringlich.
Man spürt die große Ambition des Koches: Den ersten Stern auf die weiß-blaue Seite der bayrisch-württembergischen Doppelstadt holen. Erfahrung mit Sternegastronomie hat er bereits, so war er im Restaurant Seestern Stellvertretender Küchenchef und bereitete das ebenfalls im Hotel Lago befindliche „Treibgut“ als Küchenchef so weit vor, dass der Grüner Stern kurz nach seinem Weggang folgte.
Er habe eine besondere Begabung für Aromenkombinationen, sagt Langer, diese würden bei den Gästen regelmäßig für Verblüffung sorgen. Besonders gut angekommen sei ein Dessert, bei dem die Olive im Mittelpunkt stand. Dass er Desserts sehr gerne macht, ist zweifelsohne eine unter Köchen selten anzutreffende Eigenschaft. Den Gast kann es freuen, denn einen lieblos nach dem Motto „wir brauchen noch irgendwas Süßes“ zusammengebastelter Nachtisch wird man in den Stephansstuben vergebens suchen.
Auch seine salzigen Gerichte zeichnen sich dadurch aus, dass immer auch eine süße Komponente deutlich zu schmecken ist. So begleitet er die gepickelten Scheiben vom Muskatkürbis mit einem süßlichem Kürbispüree aus den Abschnitten und einem Orangengel. Walnusshälften, die er bewusst nicht röstet, und gehackte Walnüsse sorgen genauso für Textur und einen nussigen Geschmack wie die kleinen Kohlblätter, die den optischen Eindruck einer Herbstlandschaft vervollständigen. Eine Mascarponecreme, die er aus Mascarpone, Sahne, Agar und vegetarischer Gelantine herstellt, und Räucheraalstücke bringen cremige Fettigkeit zum Ausgleich. Kongenial ist der Räucheraalsud, den er kurz vor dem Servieren mit etwas Kürbiskernöl mischt. Für diesen lässt er die Karkassen wie einen Tee ziehen und mixt ihn anschließend mit Mascarpone und Shirodashi auf. Schade, dass nur so wenig davon auf dem Teller war! Den Aal bezieht Langer, wie viele seiner Produkte, von einem regionalen Anbieter, darauf legt er Wert.
Wir sind gespannt, wohin die Reise für die Stephansstuben geht und werden definitiv wiederkommen, um die ausgefeilte und überraschende Küche von Marco Langer zu genießen. Definitiv one to watch!

Marco Langer (Foto: (c) Alexander Kaya)
stephans stuben by marco langer
Bahnhofstraße 65
89231 Neu-Ulm
Text und Foodfoto: Tobias Henrichs
Instagram: @tobias__henrichs