Tohrus Japan - Alles außer Sushi

Tohrus Japan - Alles außer Sushi
Eine Rezension von Peter Zenner

Schon vor Jahren habe ich den liebenswürdigen Sternekoch Tohru Nakamura gefragt, wann er denn endlich ein Kochbuch veröffentliche, ich sei definitiv einer der Ersten, der losrennen würde, es zu kaufen.
Gut, rennen musste ich dafür jetzt zum Glück nicht, aber sobald es möglich war, habe ich es für mich vorbestellt. Und nun halte ich es endlich und mit großer Vorfreude in den Händen. Soviel sei gleich zu Beginn verraten, diese Vorfreude wurde nicht enttäuscht!
In einer warmherzigen Einleitung ist indirekt auch gleich das "Thema" dieses Kochbuchs versteckt, nämlich uns die japanische Küche näherzubringen und sie mit europäischen Einflüssen zu verbinden. Das erste in die Einleitung eingebettete Foto des Buches zeigt Tohru Nakamura unter einer japanischen Kalligrafie, einem Geschenk seiner Eltern, mit dem japanischen Schriftzug für Brücke, "Hashi", weil seine Eltern ihn als Brückenbauer zwischen japanischer und deutscher/europäischer Küche sehen (so erzählt es der Koch selbst). Eine sehr schöne Idee und Geste, sein allererstes Kochbuch so zu beginnen, finde ich.
Und weil das Reisen in der Entstehungszeit des Buches coronabedingt schwierig bis unmöglich war, holt er für seine interessierten Leser im folgenden Teil ein kleines Stück Japan hierher nach Deutschland. Zum Beispiel mit einer Reise in den Japanischen Garten in Kaiserslautern, in die "Japan-Hochburg" Düsseldorf, nach Bonn, nach Berlin, wo er einen seiner Lieferanten - er spricht auch mehrfach im Buch Empfehlungen für ihn aus, wenn es um hochwertige Sojasaucen, Miso und Dergleichen geht - besucht, bei dem seit 2021 der eigens für ihn angesetzte Räucherfisch-Garum fermentiert. Und er endet in seiner Heimatstadt München, wo er am Liebsten das Teehaus im Englischen Garten als sein Restaurant auserkoren hätte.
Noch immer zur Einleitung gehört der interessante Text "Von der Berufung zum Beruf". Man liest über seinen Werdegang, seine Anfänge. Begeistert hat mich wieder, auch wenn ich davon zuvor bereits wusste, dass ein Praktikum im Alter von 15 Jahren bei der wunderbaren Léa Linster die letzte Initialzündung zur Leidenschaft für kulinarisches Höchstniveau bei ihm gestartet hat. Eine perfekte Gastgeberin, tolle Köchin und ein wunderbarer Mensch - schwierig zu entscheiden, von welcher dieser Eigenschaften man bei der lieben Léa am meisten lernen kann!
Natürlich wird hier auch über weitere Stationen geschrieben. Und dieser Abschnitt endet mit dem "kulinarischen Leidensweg" oder besser der Geschichte gastronomischer Willenskraft, zusammen mit seinem ebenso willensstarken Team über die Schwierigkeiten der Coronapandemie weiter bestehen zu können, und wie er und sein Team sich durch diverse Konzepte zu gastronomischen Lebenskünstlern entwickelten, die am Ende mit einem traumhaften Restaurant belohnt wurden, dem "Tohru in der Schreiberei". Ein ergreifender Weg, ein ergreifender Text!
Und diesen spannenden Seiten folgt nun der nicht minder spannende Rezeptteil. Die Kapitel beginnen alle mit einer sehr interessanten Warenkunde über den Hauptdarsteller oder zumindest eine wichtige Komponente der Rezepte des jeweiligen Kapitels, meist eingepackt in private Anekdoten oder Erfahrungen. Und dann folgen jeweils einige entsprechende Rezepte. Zehn Hauptkapitel sind im Buch zu finden, dazu einige Seiten mit "Basics" wie beispielsweise Kombu-Dashi oder Furikake. Letzteres muss ich auf jeden Fall auch ausprobieren, denn ich liebe dieses Reisgewürz!
Aber zuvor werden in den Kapiteln die wichtigsten japanischen Grundzutaten wie Sesam, Ei, Koji, Reis, Katsuobushi, Umeboshi, Miso, Shoyu, Tofu und Algen zunächst beschrieben und dann in Rezepten verarbeitet. "Wo ist da die Brücke zur deutschen Küche?", oder generell zur europäischen, werden sich nun vielleicht manche fragen. Aber dann findet man zum Beispiel ein Spätzle-Rezept, aber eben mit eingearbeitetem Tofu. Oder eine Ofenkartoffel und Rosenkohl, letzterer aber als Salat und als Ganzes mit Katsuoboshi bestreut, sicher eine Umami-Bombe! Auch sind ein Flammkuchen, hier u. a. mit Pilzen, Compté UND Miso, oder ein Risotto, eben nicht mit hiesiger Brühe und Parmesan, sondern Dashi und Miso bringen hier Umami und "Schlotzigkeit", nicht gerade urtypisch - weder für Europa noch für Asien/Japan.
Wer hier allerdings die Nakamura-typischen Fine Dining Rezepte aus dem "Werneckhof by Geisel" oder dem jetzigen "Tohru in der Schreiberei" erwartet, sucht vergeblich. Dieses Buch ist wirklich so konzipiert, dass es jeder verstehen kann, alle Zutaten ohne besonderen Aufwand zu beschaffen sind und man sie alleine, ohne große Küchenbrigade, zuhause zubereiten kann. Und das, ohne Wochen vorher mit den ersten Schritten beginnen zu müssen, und letztendlich daran zu doch zu verzweifeln, weil die Genialität eines Tohru Nakamura nicht einfach so nachzubasteln ist.
Nein, es ist ein Buch für jeden, der gerne kocht und sich der japanischen Küche etwas widmen möchte, und das auf hohem Niveau was Geschmack und Authentizität betreffen. Natürlich findet man hier auch japanische Traditionsrezepte wie Okonomiyaki, was ich auch immer gerne zuhause zubereite, und Ramen.
Auch mein Interesse geweckt hat zum Beispiel das Rezept der Entenbrust mit einem Salat aus u. a. Radicchio, Chicorée, Kaki, Pinienkernen.... UND Umeboshi! Das klingt spannend, das muss ich unbedingt nachkochen! Eine Art Umeboshi stelle ich mir im Sommer, wenn es gute Aprikosen gibt, inzwischen selbst her, aber in gut sortierten Bio-oder Asialäden sind die "echten" Umeboshi auch problemlos zu bekommen.
So kann man generell sagen, es gibt in diesem sehr schönen Kochbuch kein Rezept, das nicht machbar wäre. Einige japanische Zutaten kannte ich nicht unter dem abgedruckten Namen, aber dafür gibt es am Ende des Buches ein Glossar, hier kann man nachlesen, wonach man u. U. im Laden suchen muss. Für jedes Rezept reicht eine einzige Seite, klar und einfach beschrieben und für jede Küchenausstattung geeignet. Natürlich ist auch auf der gegenüberliegenden Seite ein Foto zu jedem Rezept, damit man es sich auch optisch vorstellen kann. Leichter und klarer kann man keine japanischen Einflüsse in die eigene heimische Küche hineinbringen! Dazu macht es Spaß, die Texte zu lesen und richtig Lust darauf, die Rezepte nachzukochen.
Als Fazit kann ich nur sagen, bravo Tohru - gerne mehr davon!
Tohru Nakamura
Tohrus Japan - Alles außer Sushi
Gräfe und Unzer Verlag GmbH
1. Auflage, 4. Oktober 2022
ISBN 978-3-8338-7986-9
216 Seiten
29,90€