Thomas Kellermann - Genussmomente

Thomas Kellermann - Genussmomente

"Die Wahrheit liegt auf dem Teller!" Sprich, schmecken muss es!
Weihnachtszeit ist Kochbuchzeit, sicher nicht nur im besonderen Maße bei mir. So lag ein weiteres Prachtexemplar unter meinem Weihnachtsbaum. "Genussmomente" von Thomas Kellermann, dem sympathischen Küchenchef des 2-Sterne Gourmetrestaurants Dichter in Rottach-Egern.
In einem kurzen Vorwort von Thomas Kellermann, liest man über den Entstehungsprozess seiner Gerichte, den "Grund" dieses Buches und seinen Stolz, Hans Haas - Schüler zu sein. Einen Stolz, den ich übrigens sehr nachvollziehen kann! Und da durfte ich selbst "nur" mal einen Tag von diesem wunderbaren Menschen lernen, Herr Kellermann hat viele Jahre mit ihm, zuletzt als sein Sous Chef, gearbeitet.
Darauf folgt auch tatsächlich noch ein Grusswort von Hans Haas.
Und dann geht es auch schon los mit dem Rezeptteil, grundsätzlich aufgebaut in Menüfolgen, die sich an den Jahreszeiten orientieren. Allerdings müssen diese nicht zwingend als Menü zusammengeführt werden, sollen eher inspirieren und aufzeigen, welche schönen Teller jahreszeitenabhängig so möglich sein könnten. Zusätzlich gibt es noch ein Kapitel "Kellermanns Nachschlag" mit verlockenden Tellern, jahreszeiten - und menüunabhängig.
Die 4 vorherigen Menükapitel bestehen jeweils aus sieben bis acht Gängen, zuvor Amuse-bouche und als süßen Abschluss Petit fours.
Natürlich muss man schon etwas mehr Zeit für jeden einzelnen Gang einplanen, so besteht beispielsweise das "Tatar von der Renke mit Weißbier und Holunder" im Frühlingsmenü aus ganzen 12 Unterrezepten, um diesen spannenden Teller zuzubereiten. Aber da kann ich schon gleich mal vorwegnehmen, Zeit braucht man für die Rezepte im Buch wirklich, aber keine Zauberkünste, keine Laboraustattung (ein Thermomix ist hilfreich) und keine geheimen Lieferanten auf dem Schwarzmarkt für nichtbeziehbare Zutaten. Bei diesem konkreten Amuse müsste man allerdings schon zwei Wochen vorher beginnen, um eingelegte Hollunderblüten, Hollundersirup, Holunderblütenessig und Hollunderblütensalz herzustellen und ausreichend lange ziehen zu lassen. Zutaten, die im Restaurant natürlich einfach aus der Vorratskammer geholt werden.

Als Erbsenfan bleibe ich, im gleichen Menükapitel, dann auch gleich beim Kaisergranat hängen. Neben scharfer Paprika (auch hier: 2 Tage vorher loslegen!) und dem Kaisergranat, gibts die Erbse gleich in 4 Varianten, als Erbsen- Pistazien-Püree, Erbsenflan, Erbsensprossen, und da haben wir sie wieder, die geschälte, gepalte, blanchierte Erbse! Ich werde ja immer etwas komisch angeschaut, wenn ich erzähle, dass ich seit einem Praktikum in einem tollen 2-Sterne-Restaurant in München meine Erbsen auspelle. Ich kann nur immer wieder sagen, eine "Futzelarbeit", die sich geschmacklich mehr als lohnt! Ich glaube, dieser hier dritte Gang wird einer der ersten Teller sein, die ich nachkochen möchte, Frühling hin oder her.
Lese ich allerdings beim 5. Gang die kleine Geschichte zur Entstehung des "Phönix-Fenchels" im Salzteig mit Fenchel-Beurre blanc und Bronzefenchel, ein Teller, der so wohl schon seit über 10 Jahren die Gaumen der Gäste begeistert, möchte ich mich auch zeitnah an diese 14 Unterrezepte wagen, um den Teller nachzukochen und zuhause genießen zu können. Mengenmäßig scheinen die Rezepte eher auf Restaurantbetrieb als auf 2 Personen-Haushalt ausgelegt zu sein, darüber kann ich leider im Buch keine Angabe finden, was bisher aber auch der einzige kleine Mangel des Meisterwerks ist. Sehr schön finde ich aber zum Beispiel die jeweiligen Seiten, die einzelnen Produzenten mit Text und Fotos gewidmet werden. In diesem Kapitel ist es der Buchberghof um Andreas Schulz-Moll im Tegernseer Tal, woher Thomas Kellermann sein Wagyu bezieht.
Später, bei der Sesam-Gewürzananas stolpere ich über den Begriff "Thermalisierer", gleich nachgeforscht, scheint das aber einem Sous-vide Becken sehr ähnlich zu sein. Hab ich, ich kann mich also daran versuchen, denn auch dieses Petit four klingt sehr erfrischend-lecker! Am liebsten würde ich hier jeden einzelnen Teller erwähnen wollen, weil jeder für sich schon beim Durchlesen ein Geschmacksabenteuer im Kopf entstehen lässt. Aber das sprengt hier natürlich den Rahmen.

Im Sommermenü bekommt man nun, neben tollen Kreationen von der Artischocke oder von Saibling oder Stör, ein paar Eindrücke von Christoph von Preysing und seiner "Fischerei Tegernsee". Besonders interessiert mich in diesem Kapitel, vorallem nach dem kurzen Text dazu, die Bouillabaisse nach Marseiller Art mit bretonischer Makrele Lauch und Limette. Sämig, cremig, vielschichtig, reichhaltig.... das klingt unwiderstehlich!
Als 6. Gang im Sommer bringt Herr Kellermann einen Lammrücken mit Topinambur, Gewürztomate und Estragon auf den Teller (mithilfe von 15 Unterrezepten!). Und da kommt natürlich gleich auf der nächsten Seite die Familie Riederer vom Gutshof Polting ins Spiel, wo viele der besten Küchen ihr Fleisch beziehen.
Das Herbstmenü beginnt mit einem Amuse-bouche aus einem würzigen Tapiokachip mit Linsen-Gemüse-Püree und Zitronengraseis - sehr interessant! Aber das müsste man über jeden einzelnen der Teller im Buch ausrufen. Auch über die "Hirschkalbschulter mit Moosbeeren, Chicorée, Radicchio Trevisano und Kartoffeln", und gleich darauf erfährt man auch, woher er sie hat, nämlich von Jäger Peter Strillinger. So liest man auch im Winterkapitel, dass der Spitzenkoch seinen geliebten Bronzefenchel, Kressen und essbare Blüten aus der Gärtnerei Kinara von Johannes Schwarz bekommt. Zutaten, aus denen beispielsweise das Amuse-bouche "Fenchel" mit Bronzefenchel und Fenchel-Bonito-Granité entsteht. Auch hier wieder 12 Unterrezepte, deren Vereinigung schon bei der reinen Vorstellung die Geschmacksknospen jubeln lässt, wie auch bei der Schwarzwurzel mit Birne und Weißbier. Dazu das herrliche Aroma von Zitronengras, wow, das muss ja eine Aromenbombe sein. Ich hoffe, dass ich mir sehr bald die Zeit für die 15 Einzelrezepte nehmen kann, das würde auch gleich zur Jahreszeit passen. Einen Tag vorher muss ich dann aber auch hierfür anfangen, denn für das Birnenpulver, welches auf die Birnen-Bier-Kugel gestäubt wird, müssen Birnenschalen und das Grüne vom Lauch 24h bei 55°C getrocknet werden. Aber allein optisch ist auch dieser Teller schon ein Kunstwerk!
Aber was ist der größte (Küchen-) Künstler ohne sein Team?! Das wird am Ende dieses Buches auch noch auf einigen Seiten gewürdigt, per Privat- und Dienstfoto, versehen mit Namen und Position im Team. Eine schöne Idee! Dazu kommt eine Dankesseite und die Vita von Thomas Kellermann, dessen Restaurant Dichter nicht nur mit 2 Michelin-Sternen sondern auch sagenhaften 5 Hauben im Großen Restaurant und Hotel Guide ausgezeichnet ist.
Fazit
Ein wunderbares Kochbuch mit spannenden Kreationen, die jeder, der sowohl Zeit als auch Leidenschaft dazu hat, problemlos nachkochen kann und sich die Freude dieser Kunstwerke auch zuhause machen kann. Klare Kaufempfehlung! Wie schön, dass es für mich unterm Tannenbaum lag!
Thomas Kellermann
Genussmomente
Gourmetrestaurant Dichter
MATTHAES/DK-Verlag
1. Auflage 28.August 2023
ISBN 978-3-98541-062-0
240 Seiten
58€
Fotos: © Matthaes/Kirchgasser Photograph
Text: Peter Zenner