'Ramen forever' ein Kochbuch von Tim Anderson
'Ramen forever' ein Kochbuch von Tim Anderson
Weihnachtszeit ist Kochbuchzeit! Und da ich von einem ganz lieben Menschen schon jetzt so großzügig mit diesem wunderbaren Buch beschenkt wurde, hab ich mal meine Eindrücke über dieses intensive Lehrwerk zum Thema Ramen, nämlich "Ramen forever" von Tim Anderson, zusammengefasst.
Eine gute Ramen, die begehrte japanische Nudelsuppe, herzustellen ist eine Wissenschaft für sich. Man kann sich ihr eigentlich ein Leben lang widmen, um sich der perfekten Zubereitung zu nähern. Ich selbst habe mich auch schon sehr viel damit beschäftigt, umso mehr habe ich mich auf und über dieses Buch gefreut. Es war gerade erst Sieger beim deutschen Kochbuchpreis in der Kategorie "Ostasien".
Wer hier ein normales Kochbuch erwartet, liegt nur sehr entfernt richtig, denn komplette Ideen in Rezeptform für Ramen gibt's erst am Ende des 221 Seiten starken quietschbunten Buches. Bei den ersten 150 Seiten handelt es sich vorallem um ein exzellentes Lehrwerk zum Thema, das Hintergründe erklärt und sich dann den Details widmet. Es geht ja nicht nur um eine profane Nudelsuppe, nein, es ist ein Teil japanischer Kultur. Jede einzelne Region ist bekannt für ihre eigene Art von Ramen, gefühlt das Erste, was ein Japaner in einer fremden Gegend macht, ist die dort übliche Nudelsuppe zu testen.
Aufgebaut, so lernt man es auch in diesem Buch, ist eine richtige Ramen in 5 Bestandteile:
- Die Brühe, meist aus Schwein oder Huhn oder beidem, aber auch Varianten aus Meer und Gemüsegarten werden aufgezeigt.
- Die Tare, eine Art kräftige Würzsauce, die der Brühe intensiven Geschmack verleiht. Hier wird grundsätzlich und traditionell unterschieden zwischen der Shio-Tare, basiert auf Salz, der Shoyu-Tare, basiert auf Sojasauce und der Miso-Tare. Tim Anderson führt noch einige "Neben-Tare" auf, die zur Geschmacksintensivierung mit einer der vorstehenden Tare kombiniert wird. Mich persönlich stört und wundert es, dass bei ihm keine der Würzsaucen ohne das Zufügen von Glutamat, Mononatriumglutamat (MNG/MSG), auskommt. Es ist in einigen, vorallem asiatischen Esskulturen durchaus üblich und nicht zu Verteufeln, ich persönlich versuche aber eigentlich, die künstliche Zugabe dessen zu vermeiden, zumal ich finde, gerade die japanische Küche bietet mehr als genug Umamikomponenten aus natürlichen Lebensmitteln. Und ich denke, eine gute Tare ist definitiv ohne diese Beigabe möglich. Ganz unüblich ist es in Japan aber tatsächlich auch nicht, zusätzliches Glutamat zu verwenden. Ajinomoto wird es genannt. Eine liebe japanische Kollegin, die ich dazu befragt habe, sagte aber, es werde inzwischen immer seltener in Japan gefunden und sie selbst benutze es nicht, weil "es alles gleich schmecken lässt". Wer will das schon!?
Die nächste Haupt-Ramen-Komponente sind die Nudeln. Hier betont der Autor, dass Ramen nur wirklich Ramen seien, wenn im Teig auch Kansui verarbeitet sei, eine Mischung aus Kaliumcarbonat und Natriumcarbonat, die der Nudel einen chemischen, leicht schwefligen Geschmack verleihe. Die entsprechende Mischung bekommt man wohl nur online, dort aber auch flüssig, nicht nur als Pulver. In einem hiesigen, riesigen Asiamarkt habe ich danach heute vergeblich gesucht. Auch benötigt man für die Nudelrezepte im Buch Volleipulver, Eiweißpulver, vitales Weizengluten... da muss man sich erstmal etwas nach Bezugsquellen umsehen, um sich dem perfekten Ramen-Erlebnis nähern zu können! Aber Herr Anderson räumt auch ein, dass es fertige Ramen gebe, die durchaus auch zum Genuss führten, sofern tatsächlich Kansui enthalten sei. Frei nach dem Motto "Warum Abmühen, wenn es Hersteller gibt, die das deutlich besser als man selbst hinkriegen?!" Denn eine zufriedenstellende Zubereitung dieser "echten Ramen" ist nicht ohne Zeit - und Kraftaufwand und entsprechende Gerätschaften zu schaffen. Aber einen Versuch der Erfahrung zuliebe ist es schon wert, finde ich.
Die vierte Komponente ist Öl bzw. Fett, das der Ramen am Ende zugefügt wird. Hier fängt es bei einfachem Schweineschmalz an und geht über Yuzu-Koshō-Hühnerfett, Knoblauch-Sesam-Öl oder u. a. Noriöl bis hin zu Chiliöl. Interessante Inspirationen!
Man muss zu dem Buch auch sagen, es basiert wirklich auf viel Wissen, Erfahrung und Nachforschung. Die Rezepte sind nicht alle eine urjapanische Tradition, es ist auch viel "Testküche" dabei, dazu Eigenkreationen und moderne Ideen zu bestehenden Traditionen, von Tim Anderson entwickelt. Nichts Negatives, sondern durchaus zur Nachahmung geeignet und empfohlen!
Der letzte Punkt der Bestandteile einer richtigen Ramen ist natürlich das Topping.
Dem traditionellen Chashu, eigentlich ein marinierter gerollter Schweinebauch, ist ein ganzes Unterkapitel gewidmet, mal aus Schwein, mal aus Huhn und er hat auch versucht, einen adäquaten vegetarischen Ersatz zu entwickeln, den er so auch in seinem Restaurant angeboten hat.
Ein weiteres Unterkapitel steht dem Ei zur Verfügung, dem Ajitsuke Tamago, das angeblich garnicht so wirklich Ramen-relevant sein soll, aber ich denke, da kommen eher regionale Unterschiede zum Tragen. Die bereits erwähnte japanische Kollegin, die ich dazu befragt habe, hat dieses leckere Ei schon als Kind in ihren Ramen gegessen. Mir persönlich ist es zu einer japanischen Nudelsuppe auch sehr wichtig, aber meine eigene Tradition ist es ist ja nunmal so oder so nicht, so sehr ich Ramen auch mag.
Dagegen etwas überbewertet - natürlich nur meine ganz persönliche Meinung - ist das Onsen Ei, das hier ebenfalls thematisiert wird. Letztens erst zubereitet, hat es mich wenig begeistert. Aber dennoch auch mal "was Anderes".
Aber auch 28 weitere Toppings werden aufgeführt, allerdings eher erwähnt als deren Zubereitung erläutert.
Danach kommen dann doch noch einige Komplettrezepte für Ramen und empfohlene Zusammenstellungen der zuvor erklärten Einzelkomponenten. Fast schon "überflüssig", da man in den Kapiteln davor schon soviel über Ramen und deren Einzelbestandteile gelernt hat, dass man sich selbst nahezu als Profi wägen könnte. Zumal bei jeder einzelnen Brühe, jeder Tare usw. daran gedacht wurde, auch dazu zu schreiben, zu welchen der jeweils anderen Komponenten sie passt. Sehr hilfreich!
Aber nun in diesem Kapitel "100% Ramen" sieht man die leckeren Resultate aus den einzelnen Teilen, und dazu Varianten, wie beispielsweise eine Curry-Ramen, "englische Tantanmen" mit baked beans, Bacon und Kartoffelsmilies, und ja, sogar Pizza-Ramen! Irgendwo lustig, aber auch sehr interessant! Fusionsküche at its best!
Am Ende gibt es noch ein Kapitel "Nicht ganz Ramen", zum Beispiel mit Wassermelonen-Kimchi-Reimen (Reimen = kalt servierte Ramen) oder Würstchen im Ramenteig. Dazu einige Tipps, was man mit übrig gebliebenen Zutaten bei der Ramen Zubereitung machen könnte und andere teils gewagte Ideen mit "Ramenbezug", wie u. a. eine Bloody Mary mit Shoyu-Tare, Knoblauch-Sesam-Öl oder andere Cocktails, garniert mit Menma (marinierte, karamellisierte Bambussprossen) oder Nori. Spannend!
Fazit
Das Buch ist wirklich ein sehr zu empfehlender Lehrgang für jeden, der Ramen liebt und sich mit deren vielfältiger Zubereitungsmöglichkeiten intensiv auseinandersetzen möchte. Mein einziger Kritikpunkt ist die Verwendung von Mononatriumglutamat, in Japan ajinomoto (übersetzt "Essenz des Geschmacks") genannt, in sehr vielen Rezepten.
Aber abgesehen von diesem Punkt, den man sicher mit vielen natürlichen Umami-Gebern ersetzen kann, ist es ein sehr gutes Buch, das SEHR viel Wissen vermittelt und eine mehr als gute Hilfe auf der Suche nach der eigenen perfekten Ramen darstellt. Ein MUSS für jeden Ramen-Fan!
Ramen forever
Tim Anderson
Englischsprachige Originalausgabe 2023, Hardi Grant Books
Deutschsprachige Ausgabe 2024, Südwest Verlag
ISBN 987-3-517-10318-1
35€