Nils Henkel - Pure Nature
Nils Henkel - Pure Nature
Sind diese Rezepte alltagstauglich?
Als Hobbykoch finde ich es eigentlich vermessen, ein Kochbuch zu beurteilen, noch dazu eines von einem so hochdekorierten Meister seines Fachs wie Nils Henkel. Da nun Kochen aber meine größte Leidenschaft ist, konnte ich auch allein schon der großen Ehre und Freude wegen, darum gebeten worden zu sein, diese Bitte nicht abschlagen.
Das Prachtstück wurde nun also geliefert. Hofft man, es günstig auf entsprechenden Internetportalen zu finden, irrt man, denn dort wird aktuell mindestens der doppelte Preis eines neuen Exemplars aufgerufen. Ich habe es bei Herrn Henkel selbst zum Originalpreis von 69€ bestellt. www.nils-henkel.de Kein Schnäppchen, aber wenn man eine kleine Idee von der authentischen, produktergebenen Geschmackswelt von Nils Henkel erhaschen möchte, ist dieses Buch jeden Euro wert.
Schon der erste, aus Zeitgründen recht kurze Blick ins Buch hat mich sofort begeistert. Auch mit ein Grund, warum ich gerne bereit war, diesen Text zu schreiben. Denn schon auf den ersten Seiten nach der Einleitung und dem Vorwort des kulinarischen Journalisten Helmut Gote kamen die ersten sehr ansprechenden Rezepte, von denen ich schon überzeugt war, bei DER Klarheit der Beschreibung, das auch als Hobbykoch hinbekommen zu können.
Es beginnt mit einigen "Snacks", die so zu nennen ich niemals wagen würde, aber so ist das wohl in der bescheidenen Gourmetküche. Ob nun beispielsweise der Olivenölraviolo, die Praline vom grünen Spargel oder oder die Tandoori-Chickenspieße, jedes einzelne Teil verspricht, ein geschmackliches Highlight zu werden, ohne übertriebenen Schnickschnack.
Ebenso ein freudiger Moment gleich zu Beginn: ich muss nicht gleich 20 Zutaten in eine Suchmaschine eingeben, um zu wissen, worum es sich da überhaupt handelt! Ich kenne alles, gut ausgestattet wie ich bin, hab ich Vieles sogar da. Und die Rezepte sind so klar und deutlich geschrieben, dass sie auch für den geübten Hobbykoch gut machbar sind.
Etwas Küchenausstattung braucht man natürlich, wenn man das Buch durcharbeiten möchte. Aber auch hier kann ich erfreut vermelden, es wird nicht in jedem Rezept ein Pacojet, ein Holdomat und dazu noch ein Excalibur benötigt. Selbige Vorgaben muss man eher suchen. Für einige wenige Rezepte wird ein Pacojet vorgeschlagen.
Da ich privat nicht bereit bin, für solch ein Gerät mehrere tausend Euro auf den Tisch zu legen, muss es auch mit dem Pürierstab, der Eismaschine und dem Thermomix gehen. Ja, dem Thermomix. Ich war immer gegen dieses Gerät, "ich kann selbst kochen" war mein Argument. Nach etlichen Lehrgängen und Kochkursen bei der Crème de la Crème der Köche habe ich die Vorzüge dieses Gerätes kennengelernt und mir doch ein Exemplar zugelegt, wenn auch nicht vom Originalhersteller. Ich koche und backe nach wie vor nichts damit, aber solch feingemixte Pürees beispielsweise bekommt man mit keinem Pürierstab hin. Und auch durch die Heizfunktion und den starken Mixer ist er für Kräuteröle perfekt.
Auch in diesem Buch ist der Thermomix für viele Rezepte von Nöten. Es würde sicher auch mit anderen Geräten funktionieren, aber dann eben nicht so einfach und fein.
Die nächste Abteilung des Buches wurde mit "Amuse Bouche" bezeichnet, und diese Bezeichnung ist wörtlich zu nehmen! Ich bin sicher, das Kaninchenfilet landet auf meiner Speisenplanung für die nächste Woche! Aber auch die bretonische Makrele mit allerlei Variationen der Karotte (wie auch beim Kaninchenfilet) und der bergische Saibling mit seinen Petersilienbegleitungen haben es mir angetan.
Und auch hier wieder Zutatenlisten, die man nicht erst dechiffrieren muss, sondern bei allem weiß, was es ist. So ist es übrigens im ganzen Buch, es gibt nur sehr wenige Zutaten, die ich nicht kenne. Dazu werden aber am Ende des Buches viele Gerätschaften benannt und erklärt, ebenso gibt es ein Glossar, das sehr viele eventuelle Unklarheiten beseitigen kann. Dazu, was mich wirklich begeistert, 8 Seiten der im Buch verwendeten Kräuter. Je ein Foto der Pflanze und eine Beschreibung, wofür man sie verwenden kann und mit welchen Aromen die Pflanzenteile aufwarten können.
Nach den Amuses Bouches folgen mehrere Seiten, die ein mehrgängiges Gourmetlunch rezeptieren. Ob die Königsmakrele mit Kaisergranat, Muskatkürbis, Salat von Meeresalgen und Kürbiskernöl oder z. B. der Rücken vom bergischen Rehbock mit Lorbeerjus, Pfifferlingen und Sellerie in Texturen - allein die Fotos lassen das Genießerherz höherschlagen. Und wenn man dann wieder die klaren schnörkellosen Anweisungen liest, freut man sich, dass es offenbar auch für den passionierten Hobbykoch durchaus zu realisieren ist. Etwas Erfahrung und Grundkenntnisse natürlich vorausgesetzt, aber dennoch alles im machbaren Bereich.
Im Verlauf des Buches steigt allerdings auch ein leichter Frust in mir. Nicht etwa, weil es keine umwerfend tollen Rezepte sind oder die Zubereitungen immer komplizierter werden. Im Gegenteil, es liest sich tatsächlich durchweg traumhaft, da lässt so manches Kochbuch zu wünschen übrig (und ich habe hunderte, so dass ich dazu viele Vergleichsmöglichkeiten habe), kaum unbekannte Zutaten, kaum Techniken, die ich nicht irgendwie umsetzen könnte. Eigentlich Perfekt. Das einziges Problem ist das des Provinzlebens. Ich lebe leider nicht in einer Stadt wie beispielsweise Hamburg oder München, wo man immer alles bekommt. Ich muss 35km fahren, um etwas "gehobenere" Lebensmittel ergattern zu können, aber auch nur in begrenztem Rahmen. Und ich bin nur selten bereit, Lebensmittel von sonstwoher noch im Internet zu bestellen, sondern ändere Rezepte dann eher in eine Richtung ab, wie ich sie hier realisieren kann. So kann ich eben auch nur Qualitäten kaufen, die mir hier an Fisch-oder Fleischtheken angeboten werden. Auch kann ich kein ganzes Reh bestellen, weil ich einmal Mittagessen für 2 Personen kochen möchte, dafür fehlen mir dann auch die Kühl-und Lagermöglichkeiten. Ich denke, dieses Problem kennen sehr viele meiner Hobbykochkollegen. Als Restaurantküche kann man einfach ganz anders planen, bestellen und vorbereiten.
Und da erkennt man doch im Verlauf deutlich die hochwertige Sterneküche. Wer an alle vorgebenen Zutaten rankommt, ist ohne Umwege mit diesem Buch im Koch- und Kochbuchhimmel. Hobbyköche wie ich müssen vielleicht etwas flexibler bei mancher Zutat sein, auch wenn sich das für dieses Buch im verkraftbaren Rahmen hält.
Nach dem Gourmetlunch folgen nun mehrere 8-gängige Menüs, das Menü "Pures Gemüse", was nicht nur Vegetarier frohlocken lässt, ich möchte das definitiv nachkochen. Zum Beispiel die Chicoréeschnitte mit Mimolettesauce (hier musste ich zum ersten Mal das Internet bemühen, da ich diesen Käse nicht kannte), Basilikumgnocchi und Artischocken. Ein verlockendes Foto, auch hier, abgesehen vom Käse für mich, nichts, was man nicht kennt, sogar nichts, was man nicht besorgen könnte, ein klares Rezept und kein Arbeitsgang, der nicht umsetzbar wäre - ein Traum, so wünscht man sich jedes Kochbuch!
Besonders zu erwähnen finde ich auch, dass es, ebenfalls auf den hinteren Seiten, unzählige Grundrezepte, Basisfonds und dergleichen gibt. Alle mit einem kleinen Foto versehen. Und durch das komplette Buch hindurch, sollte in einem Rezept eine der Grundzubereitungen benötigt werden, wird mit Foto und Seitenzahl unter dem jeweiligen Rezeptfoto darauf hingewiesen. So wünscht man sich das, man muss nicht wild im Buch hin-und hersuchen, klare Ansage. Und alle Grundrezepte natürlich in gleicher Deutlichkeit wie die "Hauptrezepte" im ganzen Buch.
Es folgen die Menüs "Meer", "Kräuter", "Pure Nature Regional", "Frühling", "Sommer", "Herbst" und natürlich "Winter". Dem schließt sich das Kapitel "Süße Naschereien" an, wie auch noch einige Seiten zum Team von Nils Henkel, damals im Schlosshotel Lerbach - das Buch ist von 2010.
In diesem Kochbuch ist soviel an fantastischer Koch-und Küchenkunst vorhanden, dass ein Eingehen auf alle Rezepte den textlichen Rahmen sprengen würde. Aber soviel sei gesagt, wer Freude daran hat, zuhause Gerichte auf höchstem Niveau nachzukochen, sollte sich dieses Buch zulegen. Es sei aber auch ebenso gewarnt, nicht daran zu verzweifeln, dass man zeitlich schon auch mehr Aufwand betreiben muss. Aber ich denke, jedem, der sich solch ein Buch der hohen Kochkunst zulegt, ist klar, dass in den entsprechenden Küchen eine ganze Küchenbrigade bereitsteht, um die Einzelkomponenten zuzubereiten.
Wer sich also zur Aufgabe macht, die kompletten 8 Gänge auf den Tisch bringen zu wollen, sollte zeitig beginnen und besser nicht selbst mitspeisen. Die einzelnen Gänge oder Teller sind allerdings auch für Einzelköche in der heimischen Hobbyküche durchaus zu meistern. Organisation und Mis en plaçe sind alles!
Ich persönlich kann dieses Kochbuch "Pure Nature" nur empfehlen, ich bin sehr froh, es mir gekauft zu haben. Hochwertig hergestellt, allein schon eine Freude es wegen der Fotos durchzublättern, und umso größer ist die Freude, die Gourmetrezepte verständlich und klar vorzufinden, so dass der eigenen Kreativität am Herd nichts im Wege steht - so soll das sein!
www.port-culinaire.de/produkt/nilshenkel
Nils Henkel – Pure Nature
69,00 €
Autor: Nils Henkel
Produziert von Edition Port Culinaire
2010 Fackelträger Verlag GmbH, 4. Auflage 2019
Umfang: 288 Seiten
Format: 24 x 28 cm
Text: (c) Peter Zenner
Bilder: (c) Fackelträger Verlag / Montage