MY CULINARY IKIGAI - Ein Kochbuch von Christoph Rainer
MY CULINARY IKIGAI - Ein Kochbuch von Christoph Rainer
Nun halte ich doch tatsächlich schon dieses nahezu druckfrische Kochbuch in den Händen, es ist vor 3 Tagen (28.08.23) erst erschienen! Es handelt sich um "My culinary Ikigai" von Christoph Rainer.
Ein hoch lobendes Vorwort hat Dietmar Müller-Elmau, der Enkel des Erbauers von Schloss Elmau, verfasst. In der Küche des Luce d'Oro auf Schloss Elmau schwingt Christoph Rainer seit 2017 als Küchenchef das Zepter bzw. den Kochlöffel und hat mit seinem Team dort u.a. 2 Sterne im Guide Michelin und 5 Kochmützen im Großen Guide erkocht. Man erfährt über den hessischen Spitzenkoch, dass er eigentlich die Sternegastronomie verlassen wollte, um mit einem eigenen japanischen Ramen Restaurant in Frankfurt etwas entspanntere Wege zu gehen. Der Hausherr hat ihn aber überzeugen können, auf Schloss Elmau genau diese entspannteren Wege gehen zu können, und dennoch weiter in der Spitzengastronomie tätig zu bleiben, UND dazu seine Leidenschaft zu japanischer Kochkunst ausleben zu können. Pläne, die offensichtlich aufgingen.
Weiter liest man ein sympathisches, ebenfalls sehr lobendes Grußwort von Nils Henkel, mit dem er früher im Schloss Lerbach gearbeitet hat und dann kommen auch noch einige persönliche Worte von Christoph Rainer. Wie er zu dieser Liebe zur japanischen Küche kam, was ihn beeindruckt, nämlich in erster Linie die Leichtigkeit, der Respekt zu den Lebensmitteln und die Liebe zur Produktqulität, zur Nachhaltigkeit. Auch den japanischen Begriff Ikigai versucht er zu erläutern, was auf deutsch etwas schwierig ist. Vermutlich ist daher der Titel dieses deutschen Buches auch auf Englisch, was in dem Fall einfacher zu formulieren ist. Ich würde den Titel holprig übersetzen mit "Der kulinarische Grund, warum ich morgens aufstehe", oder "Mein kulinarischer Lebenssinn".
Grundsätzlich ist das Buch in Jahreszeiten-Menüs aufgeteilt, wie er die Menüs auch in seinem Restaurant Luce d'Oro auf Schloss Elmau ausrichtet. Menü heißt hier aber natürlich nicht simple "Vorspeise, Hauptgang, Nachspeise" eventuell noch der ein oder andere Zwischengang, nein, die Rezepte zum Menü "Frühling" zum Beispiel erstrecken sich über rund 40 Seiten im Buch! Jedes einzelne Menü besteht aus 8 aufwändigen Tellern, dazu je 6 "Appetizer" (Omakase Zensei) und 3 süße Abschlüsse, (Omakase Kanmi, Omakase heißt sinngemäß "ich überlasse es Ihnen", Kanmi sinngemäß "etwas Süßes"), jeweils bestehend aus Cup, Cookie und Praline.
Bei dieser hohen Zahl an Tellern braucht man dann schon auch entweder VIEL Zeit oder eine ordentliche Küchenbrigade, besser beides. Allein daheim wird's dann schon schwierig. Aber man kann sich für zuhause natürlich auch Einzelteller aussuchen - wie auf einer der bebilderten Zwischenseiten ausdrücklich steht: "Klein anfangen!"
Die einzelnen Komponenten sehen natürlich umwerfend schön aus, aber wenn ich an die zu Beginn ausgelobte Leichtigkeit denke, und das Streben nach der Reduktion auf das Wesentliche, kommen mir da schon arge Bedenken. Natürlich haben wir es hier nicht mit Wirtshausküche zu tun und in dieser Art der Gastronomie sind Vakuumierer, Thermomix, Holdomat, Pacojet und das Arbeiten mit flüssigem Stickstoff meist selbstverständlich, in den Küchen zuhause aber eben nicht. Ich stehe mit großer Leidenschaft am (Hobby-) Herd und ich bin mit großer Lust und Freude an dieses Buch herangegangen, aber hier ist ein Punkt erreicht, wo ich etwas überfordert bin. Was vermutlich vor allem an den vielen Zusatzpülverchen und Zusatzmittelchen liegt, die man für all diese tollen Gaumenschmause braucht. Bei 17 Pülverchen wie Gellan, Yopol, Guazoon, Agazoon, Basic Textur, Albium, Trehalose Zucker, Super Neurosa, Agalita....habe ich aufgehört, mitzuzählen. Das ist natürlich auch nicht meine Welt, Agar Agar und Xanthan nutze ich selbst, das war's dann aber auch schon. Für mich persönlich eine fremde Welt und keine Reduktion auf das Wesentliche. Wie man aber am Ende des Buches liest, gehöre ich als Hobbykoch auch nicht zur ersten Zielgruppe, das erklärt Einiges.
ABER! Nur weil es kein Bestandteil meiner kleinen Hobbykochwelt ist, will ich es natürlich nicht verteufeln. Und wer den Umgang mit diesen Zutaten nicht scheut und über gute Bezugsquellen verfügt, die über die üblichen Gourmet-Bezugsadressen auch hinausgehen (bei der empfohlenen Food-Connection z.B. kommt man als Privatperson nicht weit) hat mit diesem wunderbaren Kochbuch den perfekten Griff ins Regal getan!
Denn hat man am Ende alles beisammen, was man für die Rezepte braucht, ist jede Zubereitung für sich wirklich gut, klar, einfach und nachvollziehbar beschrieben. Und hat man es dann geschafft, einen herrlichen Teller wie (Frühling) den Großen Carabiniero/Tantanmen/Yakitori/Sesam oder die "Homage an Heinz Winkler" mit Fourme d'ambert, Radicchio rosa di verona und Granatapfel, das (Sommer) Juvenile Ferkel mit Karashi, Dim-sum und Pak Choi, das herbstliche Kagoshima Wagyu A5 mit Sanshobeere, schwarzem Knoblauch und Bernstein (Ochsenmark) oder aus dem Wintermenü die Taube Plounéour-Menez mit Purple Curry, Shisokraut und Umeboshi Sesam (mit nicht weniger als 12 Einzelrezepten kommt dieser Schmaus auf den Teller!) vor sich stehen hat, nach Meistern der unzähligen Unter- und Nebenrezepten, kann absolut stolz sein auf die eigene Leistung und diese wunderbaren Gerichte auf höchstem Niveau selbst zubereitet genießen...nur, um mal einige Rezepte erwähnt und den Mund etwas wässrig gemacht zu haben. Und jeder einzelne Teller ist allein optisch schon ein sehr beeindruckendes Kunstwerk!
Nach dem Herbstmenü kann man in einem weiteren Text von Dr. Nikolai Wojtko über die Philosophie Rainers lesen und deren Ursprung und Herkunft aus japanischer Tradition heraus.
Nach dem Wintermenü folgen noch ganze 6 Buchseiten unzähliger Grundrezepte wie Austerndashi, Bisque Gewürz, Krustentieröl und Tomatenwasser, wie sie durch das komplette Buch hindurch zum Einsatz kommen. Hier ist meinerseits nun doch Einiges zur Nachahmung geplant.
Die Rezepte werden durchweg begleitet von beeindruckenden Fotos der einzelnen Teller, dazu stimmungsvolle Fotos der Umgebung von Schloss Elmau und vom Schloss selbst, elegant in Szene gesetzte Produktfotos und das edle Buch endet mit der Vorstellung des Teams, schönen Fotos von jedem Einzelnen im Restaurantalltag.
Zu guter Letzt, sozusagen zur Verabschiedung, spricht nochmal der Meister selbst zum Lesenden, beginnend mit der Überschrift "Genuss bereitet Glück"... da hat er Recht! Ein überaus sympathischer Text, und hier wird deutlich, das Buch ist eher in zweiter oder noch weiter entfernter Linie an die fleißigen Hobbyköche da draußen gerichtet, sondern eher an Profikollegen, besonders aber an junge Menschen in der Orientierungsphase, um ihnen zeigen zu können, welch wunderbarer Beruf der des Koches ist und welche beeindruckenden Dinge man in diesem Beruf schaffen kann. Auch da hat er Recht, was ich allerdings nur aus persönlicher Sicht des Hobbykochs beurteilen kann. Ob sich letztere allerdings auf der Berufssuche erstmal dieses Buch zulegen, bleibt dahingestellt.
Nach langer Dankesliste und kleiner Vorstellung des eigenen Netzwerkes endet dieses mit viel Herzblut aufwändig gestaltete Kochbuch, wieder mit einem sehr stimmungsvollem Foto von Schloss Elmau und der atemberaubenden Umgebung im Schnee.
Fazit
Leider gehöre ich nicht unbedingt zur Zielgruppe dieses Buches. Es ist das erste Buch überhaupt von Christoph Rainer, eventuelle Folgeexemplare sind indirekt in Aussicht gestellt, und auch wünschenswert. Eigene Vorlieben dahingestellt, es ist ein wirklich gutes Buch, klar und verständlich geschrieben, und wer entsprechend ausgestattet ist, sowohl mit Gerätschaft als auch mit guten Lieferanten, kann dank dieser Rezepte beindruckende Geschmackserlebnisse kreieren, die auch optisch ihres Gleichen suchen.
Christoph Rainer
My culinary Ikigai
Herausgeber: Matthaes, DK-Verlag
ISBN 978-3-98541-066-8
1.Auflage, 28.08.2023
240 Seiten
69,90€
Fotos: DK-Verlag
Text: Peter Zenner