Bau.Steine - Christian Bau / Eine Rezension
Bau.Steine - Christian Bau / Eine Rezension
"Do things with passion or not at all!"
Erfurchtsvoll und etwas besorgt halte ich es in Händen, das schwere Kochbuch von Christian Bau. "Bau.Steine" heißt es, viele kennen es sicher, nur ich habe mich bisher nicht rangewagt. Der Grund dafür ist nicht nur der, dass ich seine Arbeit mehr als nur schätze, sondern dass ich von ihm bereits seit Langem ein Kochbuch mein Eigen nennen kann, nämlich "Christian Bau - Das Kochbuch, Innovation durch Tradition" von 2004. Das habe ich mir, kulinarisch und kochtechnisch noch sehr grün hinter den Ohren, vor langer Zeit erwartungsvoll zugelegt und konnte damit persönlich so garnichts anfangen, für mich nicht nachkochbar. Dazu Zutaten, die ich nirgendwo bekomme. Vermutlich war es auch damals einfach zu früh für mich.
Nun aber der Vorstoß mit diesem Prachtexemplar. Eingeleitet wird nach dem Inhaltsverzeichnis mit einigen hübschen Fotos von Schloss Berg und dem Restaurant, Victor's fine dining by Christian Bau, in dem Christian Bau seit 1998 wirkt und nunmehr seit 2005 die 3 Sterne im Guide Michelin mit seiner Kochkunst halten kann. Eingebettet zwischen den Fotos liest man ein kurzes Vorwort von Hartmut Ostermann, dem Gründer der Victor's Unternehmensgruppe, und eines von Dr. Christoph Wirtz, dem aktuellen (seit Januar 2021) Chefredakteur des Gault&Millau, der auch die Texte bzw. "Reportagen" im Buch verfasst hat.
Das Buch ist im Jahr 2018 erschienen, das Jahr, in dem Christian Bau auch "Koch des Jahres" war, gekührt vom Gault&Millau, um neben 19,5 Punkten in selbigem Führer und 5 Hauben im Großen Hotel und Restaurant Guide nur mal einige Auszeichnungen zu erwähnen.
Eingeteilt ist das Buch nicht in Kapitel, sondern in 7 Menüs, insgesamt 56 Gänge, jedes Menü wird vom nächsten durch eine kurze "Reportage" mit hübschen Fotos getrennt. Schöne Reportagen über Herkunft, Lebensstationen, Freunde, Reportagen, die die Ursprünge und Gründe für den "Präzisionswahn" (im positivsten Sinne) Christian Bau's etwas erklären, den Anspruch, kompromisslos höchste Qualität bei allerbestem Service zu bieten, 100% Perfektion, 100% Leidenschaft. Sein Leitspruch:“Do things with passion or not at all!" (salopp übersetzt, "Erledige die Dinge mit Leidenschaft, oder lass es ganz!"), eine Lebenseinstellung, die sich Herr Bau sogar hat tätowieren lassen.
Mit diesen Texten, mit diesem Anspruch, liest man die folgenden Rezepte mit noch größerer Ehrfurcht. Kann man sich doch an das ein oder andere Rezept heranwagen? Das galt es nun für mich herauszufinden. Die kompletten Menüs nachzukochen, als Hobbykoch, allein in der Küche stehend, bei zwar ordentlicher aber nicht für all die Zubereitungen ausreichender Ausstattung, ist utopisch, das sei vorweg schonmal gesagt. Das würde das Werken der insgesamt 10 Köche in Herrn Bau's Küche auch sehr infrage stellen. Nehmen wir allein schonmal das erste Rezept im Buch, "Japanischer Stein- und Gemüsegarten" mit 16 Einzelkomponenten. Gut, es ist kalt und lässt sich dann auch über Stunden vorbereiten, ist aber auch nur einer von insgesamt 8 Tellern. Aber anhand des ersten Tellers im Buch muss ich auch gleich sagen, es IST machbar, da Zutaten verlangt werden, die man durchaus besorgen kann, selbst die teilweise in anderen Rezepten benötigten Pülverchen der Molekularküche sind aufzutreiben. Natürlich darf ein Thermomix nicht fehlen und erste Probleme tun sich auf durch die Verwendung von flüssigem Stickstoff für die Koriander-Eisperlen. Aber bis auf Letzteres ist es wirklich machbar. Man sollte, zumindest für diesen Teller, allerdings auch schon mindestens 2 Tage vorher anfangen, aber die einzelnen Rezepte sind präzisest beschrieben, sogar die Anleitung zum Anrichten ist punktgenau. So wünsche ich mir das!
Und so geht es eigentlich durch das komplette Buch hindurch. Wunderbare Teller, fotografiert, wie bei vielen Starköchen, von Lukas Kirchgasser, die in ihren Einzelkomponenten grundsätzlich auch für einen Hobbykoch wie mich umsetzbar sind, Zutaten, die sicher größtenteils inzwischen für jeden beschaffbar sind, wenn auch vermutlich nicht immer in einer Qualität, die einem Christian Bau ausreichen würde, aber zumindest beschaffbar. Einige mir unbekannte Zutaten musste ich dann aber doch im Internet erforschen, vorallem die der Molekularküche, in der ich mich zugegebenermaßen überhaupt nicht auskenne. Texturgeber, Verdickungsmittel und Dergleichen, ok.
Erfreut bin ich, dass ich im ersten Gang des 2. Menüs, "Taschenkrebs, XO-Creme, Sakegranité, Jasminreis" das Rezept für die XO-Creme finde. Nach langer eigener Suche vor einiger Zeit hatte ich nur Ungenaues im Internet über eine XO-Sauce gefunden, nun habe ich hier schwarz auf weiß stehen, wie Herr Bau seine XO-Creme macht. Lange Zutatenliste, großer Aufwand, auch zeitlich, aber machbar... ich werde es wagen! Und dieses "leserische Erfolgserlebnis" setzt sich durch alle Rezepte fort. Sehr erlesene Zutaten, sehr großer Aufwand, aber so eindeutig und präzise ge-und beschrieben, dass man, wenn man sich in größter Präzision an alles hält, eigentlich nichts falschmachen kann. Großer Dank an dieser Stelle für diese Präzision!
Diese Hunderte von Einzelrezepten der 56 Gänge im Einzelnen durchzusprechen, würde, wie so oft, den Rahmen sprengen. Bei jedem einzelnen Teller gehen einem die Augen über und man würde am liebsten gleich in die Küche springen und loslegen. Ich jedenfalls kann es kaum abwarten, einiges davon nachzukochen, habe mir auch schon einige Teilkomponenten dafür herausgepickt. Ich muss allerdings abwarten, bis ich die Zeit habe, mich dem voll und ganz widmen zu können, sonst wird es nur etwas "Halbgewalgtes", und das würde ich garnicht wagen, immer mit der Sorge, Herr Bau kommt persönlich vorbei, mir auf die Finger zu hauen. Herzlich willkommen wäre er natürlich!
Der Rezeptteil endet mit vielen Grundrezepten für Fonds, Jus und Saucen, Ölen, Vinaigrettes und einer spannenden Seite "Sonstiges".... alle Seiten weit entfernt von "Standard".
Nun folgen noch einige Fotos, u. a. auch vom Küchenteam, dazu Danksagungen an Partner und die Vorstellung der kreativen Köpfe hinter diesem Buch. Und die letzte Seite im Buch nimmt der Satz ein:
"Wir wollen Menschen mit unserer Arbeit glücklich machen".
Fazit, ich bin sehr froh, dass ich es nun doch gewagt habe, mir dieses tolle Buch zuzulegen. Es ist ein sehr anspruchsvolles Kochbuch, in dem viel Liebe zum Detail und Leidenschaft zu dessen Verarbeitung stecken. Eigentlich ein MUSS für jeden, dem es Freude macht und dessen eigene Leidenschaft es ist, anspruchsvolle Kreationen auf den Teller zu bringen. In diesem Sinne kann ich dieses wunderbare Kochbuch nur absolut empfehlen!
Chrisian Bau
Bau.Steine
Matthaes Verlag GmbH, 2018
ISBN 978-3-87515-429-0
360 Seiten
79,90€
Fotos: Lukas Kirchgasser
instagram: @kirchgasser_photography
Eine Rezension von Peter Zenner