Victor's Fine Dining by Christian Bau
Victor's Fine Dining by Christian Bau
Produktqualität steht bei mir über allem.
„Produktqualität steht bei mir über allem. Auf die Teller kommt nur das Beste und so suche ich nach dem allerbesten Produkt, das weltweit zu bekommen ist. Dabei spielt der Preis keine Rolle, sondern einzig und allein die Qualität.“. Das sagte Christian Bau zu mir und der Abend in seinem spiegelt genau dies in Perfektion wider.
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Bevor ich euch von meinem Besuch dieses großartigen Restaurants erzähle, muss ich kurz ein wenig ausholen und etwas Grundlegendes loswerden. Denn, wie man es von mir gewohnt ist habe ich nach meinem Besuch hier wie immer bereits in den sozialen Medien einige Schnappschüsse gepostet. Und wie so oft hörte ich dann aus dem Kreis der selbsternannten, vermeintlich höchstkompetenten Gastrokritiker: "Der Sascha, der macht ja immer nur viele Fotos und beschreibt und bewertet nie die einzelnen Gerichte."
Ich antworte dann immer "Ja, das stimmt. Und ich will auch gerne erklären warum!": Aus meiner Sicht ist es völlig sinnfrei, wenn zwei Menschen, die sich nicht kennen - also so wie ich und mein Leser der vielleicht sogar zum ersten Mal einen Artikel von mir liest - sich darüber unterhalten wie etwas schmeckt. Denn wenn ich beispielsweise eine Pasta mit Tomatensoße esse und sage "Die Soße hat so unglaublich toll nach Tomaten geschmeckt", haben mein Gegenüber und ich das folgende Problem: Geschmack ist in der Regel nichts anderes als der Versuch, eine Kindheitserinnerung in Worte zu verpacken. Wenn ich also von einer Tomate spreche, dann verbinde ich dies im Kopf und auf der Zunge mit der Tomate, die ich als kleiner Bengel bei meiner Oma in Süditalien gegessen habe. Mein Gegenüber ist aber vielleicht am Niederrhein der 90er Jahre aufgewachsen und verbindet mit einer Tomate 30 Milliliter geschmacksneutrale Flüssigkeit aus Holland mit einer roten Hülle drumherum. Was ich damit sagen will ist, dass Geschmack ein subjektives Empfinden ist, für das es keine DIN-Norm gibt und zwei Menschen, die sich nicht kennen, somit die gemeinsame Basis fehlt, um nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.
Aus diesem Grund mache ich es nicht wie die hochdekorierten Restaurantkritiker, die ganze Doppelseiten in Fachzeitschriften oder Tageszeitungen damit füllen, dem Koch seinen Job zu erklären und ein Gericht anhand von Zutaten, Texturen und Garpunkten zu analysieren und "der Kaviar war nicht nur eine Augenweide, sondern wunderbar salzig und cremig und passt so hervorragend zum Hummerschaum, bei dem der Küchenchef sich bestimmt monatelang Gedanken gemacht hat, ob er ihn links oder rechts neben dem Steinbutt platziert bla bla bla!". Ganz ehrlich, wenn ich persönlich finde, dass Kaviar scheiße schmeckt, dann nützt auch ein zwanzig Absätze umfassendes Märchen nichts, um mir das Gericht schmackhaft zu machen.
Mittlerweile habe ich immer das Gefühl, als ob das Restaurant einem Journalisten gegenüber eine „Prüfung“ ablegen müsse. Das, was aus der Küche kommt, wird begutachtet und bewertet, anhand welcher Kriterien oder welchen Sachverstands auch immer und zwar so, als wenn dieser Teller nicht mehr zurückgenommen werden könnte. Wie ein Turner im Finale, der nun eine hoch komplizierte Figur turnen soll und dazu nur einen einzigen Versuch hat, während die Jury ihn beäugt.
Leute, wir sind doch nicht bei Olympia und wer zum Teufel hat Kulinarik zu einem Wettbewerb erklärt?! Warum verlieren wir immer das wesentliche aus den Augen?
Scheiß doch einfach mal auf deine eigene Meinung und akzeptiere die Meinung des Profis in der Küche. Und wenn du meinst, Du kannst es besser, dann zieh dir gefälligst eine Kochjacke an, geh in die Küche und gib Gas! Ansonsten genieß doch einfach mal den Abend!
Ich persönlich habe auf diese ganze Märchenerzählerei echt keinen Bock. Dass ich hier heute einen gnadenlos genialen, herausragenden Abend verbringen werde und eines der geilsten Menüs des Jahres oder vielleicht auch für mich eines der geilsten Menüs aller Zeiten essen werde, steht völlig außer Frage. Darüber brauche ich mir keine Gedanken machen. Das ist mir quasi garantiert, wenn ich hier einen Tisch reserviere. Und deshalb kann ich Block und Bleistift getrost im Büro lassen, denn ich werde mir keine kritischen Notizen machen müssen. Und auf gar keinen Fall braucht es mich, meine Meinung und meine Bewertung, um an diesem Status irgendetwas zu ändern oder zu untermauern, dass dieses Restaurant großartig ist.
Mir geht es um Genuss. Ich will zeigen, was hier abgeht. Und zwar richtig! Wenn ein Koch, egal ob er hochdekoriert oder völlig unbekannt ist, einen Teller anrichtet, dann will ich das dieser richtig geil in Szene gesetzt und fotografiert wird und nicht völlig unwürdig und unappetitlich, am Abend im Restaurant mit dem Smartphone, bei beschissenen Lichtverhältnissen ohne Sinn und Verstand und am besten noch katastrophal mit Blitz geknipst und als Trophäe zum späteren Fachsimpeln und Posten bei Facebook und Insta mitgenommen wird. Wenn diese sogenannten „Foodfotos“ umgekehrt mal von den Köchen bewertet werden würden, dann würden aber einige „Kritiker“ mit Ach und Krach durchfallen.
Darum heißt es für mich tagsüber die „Arbeit“ und abends der „Genuss“. Was hier und heute, wie so oft an anderer Stelle, bedeutet, dass der Chef sich nachmittags Zeit für mich nimmt, um ein komplettes Foto-Shooting zu machen und mir den begehrten Blick in die „heiligen Hallen“, sprich die Küche, gewährt, bevor ich dann abends zum eigentlichen Essen wiederkomme, um mir meinen Eindruck über Stimmung und Atmosphäre im Restaurant bei laufendem Betrieb zu machen. Ein absolutes Privileg, für das ich sehr dankbar bin.
Mein Besuch des Victor’s Fine Dining by Christian Bau beginnt also nicht am Abend, sondern ich werde pünktlich und höchstpersönlich um 14:00 Uhr von Christian Bau in Empfang genommen, der mich lockerleicht in Jeans und Kochjacke begrüßt und mich mit in sein Restaurant nimmt.
Und auch wenn ich im Jahr ca. 200 Shootings mit den besten Köchen des Landes mache, überkommt mich dennoch ein ehrfürchtiges Gefühl, denn ich bin Foodjunkie und in der Gastrowelt zu Hause und auf mich warten gleich vier Stunden shooten, quatschen, philosophieren, anrichten und probieren bei und mit einem der besten Köche der Welt. Einem von lediglich 133 Chefs weltweit, der sein Restaurant zu drei Sternen im Guide Michelin geführt hat. Also quasi ein Jediritter der Kulinarik.
Dieser Status wird beim Betreten des Hauses gleich nochmals deutlich unterstrichen, denn in einer Vitrine am Eingang des Restaurants sind nicht nur Urkunden und Awards großer Restaurantführer ausgestellt, in denen das Restaurant überall die Höchstnote hält, sondern auch das Bundesverdienstkreuz für die Verdienste als „Meister der Kochkultur und kulinarischer Botschafter Deutschlands“, welches Christian Bau 2018 verliehen wurde. Hinzu kommt noch, die Auszeichnung als Ehrenbotschafter der japanischen Küche.
An dieser Stelle wird dem ein oder anderen vielleicht noch mal klarer, warum ich lieber Bilder als Worte sprechen lassen. Das, was dieser Mann mir auf den Tellern anrichtet, soll ich fachkundig bewerten und auseinandernehmen? Wer bin ich denn? Ich denke, wer nicht in der Lage ist, das Menü, welches er serviert bekommt, selber nachzukochen, der sollte einfach demütig die Schnauze halten und dankbar dafür sein, dass er in den Genuss eines solchen Menüs kommt.
Ich baue also lieber mein Set auf und präsentiere euch die daraus entstandenen Appetitanreger, die übrigens an dieser Stelle auch meine Vorfreude auf den folgenden Abend gesteigert haben.
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Pünktlich um 19:00 Uhr stehe ich zum zweiten Mal an diesem Tag vor dem Restaurant, welches sich übrigens im Schloss Berg, einem kleinen Renaissance-Schloss aus dem 16 Jahrhundert, befindet. Dieses wurde Ende des Jahrtausends von der Victor’s Gruppe übernommen, welche hier 1998 das Gourmet-Restaurant mit Christian Bau als Küchenchef eröffnete.
Ich betrete das Schloss und werde von Restaurantleiterin Julia Pleintinger in Empfang genommen, die mich zu meinem Tisch im hinteren Teil des Gastraums, unter der roten Sonne Japans, geleitet. Neben drei roten Rosen ist auch ein kleines Schildchen auf dem Tisch platziert, welches den Gast, im Sinne des Genusses und Rücksichtnahme darum bittet, auf das Fotografieren mit Fotoapparaten und oder Blitz zu verzichten. Finde ich top.
Da ich der erste Gast bin, kann ich völlig ungeniert meinen Blick in die Runde schweifen lassen. Normalerweise finden hier knapp 30 Gäste Platz. Bedingt durch Corona musste die Kapazität allerdings etwas reduziert werden, weshalb das Restaurant in knapp 30 Minuten mit insgesamt 24 Gästen komplett belegt sein wird.
Die Atmosphäre im Restaurant ist locker und entspannt. Schlips und Kragen oder das Abendkleid von Chanel dürfen gerne im Schrank bleiben. Es geht entspannt und ungezwungen zu, was durch die entspannte Musik noch unterstrichen wird. Ich fühle mich auf Anhieb rundum wohl.
Nach kurzer Zeit ist Julia Pleintinger wieder zur Stelle und hat die Aperitif- und Einstimmungskarte dabei, welche auf der linken Seite allerlei Prickelndes offeriert und auf der rechten Seite verrät, was mich kulinarisch zur Einstimmung auf den Abend erwartet. Sage und schreibe sieben Köstlichkeiten werden mich erreichen, bevor das eigentliche Menü beginnen wird. Dieses kenne ich an dieser Stelle übrigens noch nicht und mir wird auch nichts zur Auswahl gestellt. Später mehr dazu.
Was aber natürlich besprochen wird, ist das Thema Wein. Zuständig dafür ist Nina Mann, die vor Kurzem vom Gault&Millau zur Sommelière des Jahres 2020 gekürt wurde. Sie bringt mir eine daumendicke, wunderbar ausgestattete Weinkarte, die allerlei Positionen bereithält, die mich sehr interessieren würden. Schade, dass ich nicht drei genusserprobte Freunde dabei habe, denn dann könnte man sich hier richtig austoben. Schlussendlich verlasse ich mich einfach auf die ausgezeichnete Sommelière und wähle die Weinbegleitung.
Während mich der erste Gruß aus der Küche erreicht, fällt mir etwas ein, das Christian Bau am Nachmittag zu mir sagte: „Produktqualität steht bei mir über allem. Auf die Teller kommt nur das Beste und so suche ich nach dem allerbesten Produkt, das weltweit zu bekommen ist. Dabei spielt der Preis keine Rolle, sondern einzig und allein die Qualität.“. Dies bringt es, wie ich finde, auf den Punkt und das folgende Menü spiegelt genau dies in Perfektion wider.
Einstimmung:
GREEN ZEBRA TOMATE mit Miso, Hummer & Burrata
BIO OX mit Räucherfischcrème & Kaviar
ENTENLEBER mit Räucheraal & Apfel
NORI-TARTELETTE mit Dorade, Kimizu & Myoga
JAPANISCHE WAFFEL mit Sardine & Meereskräutercrème
KAVIAR-TARTELETTE mit Balik Lachs & Myoga-Crème
GÄNSELEBER mit Piemont-Nuss, Café & Sauerkische
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Nach den Einstimmungen überreicht mir Julia Pleintinger einen Umschlag, der das Siegel von Christian Bau trägt und welches den „Menüvorschlag“ des Großmeisters für mich enthält. Julia Pleintinger fragt mich, ob mir der Vorschlag gefällt und das Menü so geschickt werden darf. Ich schaue sie verdutzt an und antworte mit einem Lächeln: „Ich verstehe die Frage nicht!“! Sie lächelt und nickt, was soviel heißt wie "Wir verstehen uns ;-)"
'JAPANESE RAW BAR'
BAR DE LIGNE „IKEJIME“
Meeresfrüchte | Seeigel-Tigermilk | Geeister roter Shiso
GELBFLOSSENMAKRELE
Blumenkohl | Kombu| Yuzuupgrade | N25-Kaluga-Caviar
TORO
Kojyo | Wachteleigelb | Trüffel
AGNOLOTTI
Kalb & Froschschenkel | Zwiebel | Petersilie
TRÜFFEL
Crèmespinat | Wachteleigelb | Pata Negra
LAGOUSTINE
Karotte | Maracuja | Combava
STEINBUTT
Meereskopfsalat | Artischocke | Muscheln
'MOJITO'
Minze | Limette | Rum
'SOMMERTRAUM'
Pfirsich | Champagner | Holunderblüte
SWEET BENTO BOX
Den süßen Abschluss genieße ich zusammen mit Christian Bau und einem Tässchen Panama Geisha, dem teuersten Kaffee der Welt, in der Lobby und beobachte dabei, wie die letzten Gäste nach und nach, glücklich und zufrieden das Restaurant verlassen.
Genau wie ich, kurze Zeit später, mit der vom Chef signierten Menükarte in meinem versiegelten Umschlag und einer von mir ergatterten 3-Sterne-Corona-Maske, die mich auf ewig an diese verrückten Zeiten erinnern und mir bei jeden Restaurantbesuch vor Augen halten soll, was für ein Glück wir haben, in solchen Restaurants speisen zu dürfen.
Victor's Fine Dining by Christian Bau
Schlossstr. 27-29
66706 Perl
Telefon: +49 (0) 68 66 7 91 18
https://www.victors-fine-dining.de
Text + Fotos © Sascha Perrone