Thomas Wohlfeld im Interview
Thomas Wohlfeld im Interview
Chef Thomas Wohlfeld gibt Antworten
Beende folgende Satzanfänge:
Für Andere kochen ist… super, weil du Menschen damit emotionalisieren kannst. Und um sie mit Akrobatik zu begeistern, hat es bei mir nicht gereicht.
Kochen ist nicht nur Handwerk, weil… es auch Kunst ist. Ich kenne es selbst von mir. Bei meinem letzten Restaurantbesuch musste ich anfangen zu weinen, weil es mich so begeistert hat.
Hannover kann… viel bieten. Es muss sich kulinarisch nicht verstecken. Gerade kleinere Läden machen hier eine gute Küche. Schade ist, dass Hannover oft dieser Messestadtstatus zugeschrieben wird, obwohl es wirklich viel mehr zu bieten hat.
Warum sollen die Hannoveraner*innen mehr Geld für die Gastro ausgeben?
Es kommt immer darauf an, wofür man sein Geld ausgeben möchte. Momentan zeichnet sich der Trend ab, dass die Menschen eher einen Euro mehr in die Hand nehmen und dafür eine Gewährleistung für gute Qualität bekommen. Tendenziell hinkt Hannover hinter Metropolen wie Berlin, Hamburg oder München ungefähr 2 Jahre hinterher, aber durch Social Media wird vor allem ein jüngeres Publikum viel schneller auf Läden aufmerksam. Früher musste sich über Buschfunk erst einige Wochen ein Ruf aufbauen, jetzt machst du eine Instagram-Story und es sieht theoretisch auch jemand in der Schweiz. Insgesamt isst man in Hannover noch relativ günstig, auch wenn Restaurants wie das Jante (7 Gänge für 140 Euro) von der Performance anderen Läden in nichts nachstehen. Auch bei uns gibt es 7 Gänge für 95 Euro, was ein wirklich fair kalkuliertes Angebot ist.
Welches Gericht repräsentiert euer Konzept am besten?
Als Signature-Dish hatten wir zuletzt eine rohe Roulade. Ich komme gebürtig aus Celle und dort gibt es die Bierakademie – eine Kneipe, die es dort seit 1867 gibt und über die es eine Legende gibt. Anfang des 20Jahrhunderts wollte die Wirtin gerade Rouladen braten und dann fiel der Ofen aus. Da die Gäste aber alle betrunken waren und so großen Hunger hatten, haben sie die Rouladen schließlich roh gegessen und so ist die Celler „Rohe Roulade“ entstanden. Ich wollte immer ein Gericht aus meiner Heimat machen und so haben wir sie in unserem Stil mit Pfeffer-Mayonnaise, Imperialkavier und angegossener Rinderbrühe abgewandelt.
Wie würdest du euer Konzept beschreiben?
Wir versuchen sehr reduziert zu sein. Wir versuchen mit einem Produkt das gleiche Geschmacksbild zu erzeugen, als hätte man mehrere. Wir verarbeiten Erzeugnisse aus den Produkten weiter, um Texturen und Geschmacksrichtungen reinzubringen. Wir verwenden alles vom Produkt. Aktuell haben wir den Maibock auf der Karte und da schneide ich natürlich ein schickes Stück für den Gast ab, aber die Enden trocknen wir und machen daraus wieder ein Gewürz.
Wir wollen dem Gast auch nicht zu viel abverlangen. Bei einem mehrgängigen Menü möchte ich nicht bei jedem Gang eine Produkt- und Fermentationsprozesspalette um die Ohren geworfen kriegen. Darüber hinaus ist uns wichtig, dass unsere Produkte nachhaltig produziert worden sind. Nachhaltigkeit steht bei uns auch vor der Regionalität. Ein regionales Produkt bringt mir nichts, wenn es ein schlechtes regionales Produkt ist.
Glaubst du, dass die Niedrigschwelligkeit des Casual Fine Dinings eine Notwendigkeit war, um ein anderes Publikum in die Restaurants zu locken?
Die Generation vor uns, die mit dem klassischen 80/90er-Jahre-Service aufgewachsen ist und da ihr Geld gelassen hat, kann mittlerweile körperlich nicht mehr so essen gehen oder hat die Affinität dafür nicht mehr. Und die Generation, die jetzt nachrückt, ist jung, quirlig und möchte entertained werden. Und da ist es völlig legitim, mit zeitgemäßen Konzepten sein Zielpublikum abzuholen. Und wenn ich heute meine Stammgäste hege und pflege, habe ich sie auch morgen noch.
Was treibt euch an?
Uns war von Beginn an wichtig, dass es dem Team gut geht. Dass alle finanziell ihr Auskommen haben – unser Trinkgeld wird gleich aufgeteilt und auch so stecken alle Mitarbeitenden in allen Prozessen drin, um eine familiäre Atmosphäre zu schaffen. Ich bin glücklich, wenn die Gäste glücklich sind, das Team glücklich ist und am Ende des Monats alle Rechnungen bezahlt werden können.
Wie lange dauert es, bis du ein Menü ausgetüftelt hast?
Seit ich weiß, dass ich Vater werde, geht es deutlich einfacher. Die unterbewusste Euphorie hilft dabei, mich nicht zu verkopfen und dadurch fällt es leichter, kreativer zu sein und neue Gerichte zu entwickeln.
Ist das Team beteiligt?
Klar, alle haben eine Stimme. Wir probieren natürlich vorher alles mit Weinbegleitung als Teamessen und wenn jemand sagt, an diesem Teller würde ich etwas verändern, wird das offen diskutiert. Ich mag es zum Beispiel säurebetont und salzlastiger, aber andere haben andere Ideen und so kann man Gerichte weiterentwickeln.
Du warst im Off Club von Tim Mälzer. Was hast du bei ihm gelernt?
Chef sein! Ich war 2,5 Jahre Sous-Chef und das war eine prägende Zeit, weil über diese Zeit meine Küchenstilistik entstanden ist. Tim hat mich immer ermutigt, mich in Frage zustellen und weiterzuentwickeln. Die wichtigste Frage war stets: Warum sollten Gäste in dein Restaurant kommen? Was machst du anders als andere? Ein Alleinstellungsmerkmal war also wichtig. Manchmal tat das auch weh. Gerade wenn du jung bist und auf Wolke 7 schwebst, weil dir etwas gut gelungen ist und dann kommt jemand und sagt: „Das habe ich schon tausend Mal gesehen. Das langweilt mich!“, das ist hart, aber du entwickelst dich dadurch einfach weiter. Die Frage ist: sind die Gäste mit dem Gericht zufrieden? Ist mein Team damit zufrieden? Oder finde ich nur toll, was ich da gebastelt habe. Gleiches gilt für die Personalführung. Wenn ich mit jemandem etwas zu hart umgesprungen bin, reflektiere ich und entschuldige mich auch mal. Das gehört auch dazu.
Die Geschichte eures Ladens in 4 Worten:
A real Love Story!
Danke, Thomas.
Restaurant Handwerk
Altenbekener Damm 17, 30173 Hannover
Tel: 0511 26 26 75 88
Michaela Bauer ist freie Autorin. Auf ihrem Blog Geschmackssinniges berichtet sie über kulinarische Auffälligkeiten, verfasst unkonventionelle Restaurantkritiken und stellt freche Fragen.
Fotos, Text © Michaela Bauer