Scharffs Schlossweinstube
Scharffs Schlossweinstube
Klassik besiegt Skeptik.
Freitag, 15:34. Wir fahren freudig nach Heidelberg. Ein spannender kulinarischer Abend im Restaurant „Oben“ erwartet uns.
Dann der Anruf: leider coronabedingt kein Essen heute! Was nun? Eine Alternative muss her und tatsächlich: In der mit einem Stern ausgezeichneten „Scharffs Schlossweinstube“ bekommen wir einen Tisch. Große Erleichterung! Der Weg führt durch den romantisch beleuchteten Hof des Heidelberger Schlosses und dann hinauf über eine mit zahlreichen Auszeichnungen behängte Treppe in den Gastraum direkt vor einen alten und gemütlichen Kachelofen. Die Tische sind mit braunem und sicherlich in der jetzigen Zeit leicht zu desinfizierendem Kunstleder belegt. Dieses hat die Eigenart, die Weingläser nicht gleich loslassen zu wollen, sodass wir uns beim Anheben des Weinglases doppelt konzentrieren müssen, um den Inhalt nicht zu verlieren. Spoiler: Es ging gut!
Anfang des Jahres hatte Martin Scharff angekündigt die Küche umzustellen und der „Pinzettenküche“ zugunsten des „Geschmacks“ abzuschwören und damit auch auf den Stern zu „verzichten“. Das 5-Gang Menü inklusive (!) Weinbegleitung ist nun daher schon für 130 EUR zu bekommen und wird natürlich gerne so gewählt. Die sonst üblichen Grüße aus der Küche wurden wohl dementsprechend zu Kräuter-Knoblauch-Butter und Salzbutter mit Baguette eingedampft. Das Ganze wirkt doch reichlich bieder und ich bin, zugegebenermaßen, etwas skeptisch was den weiteren Verlauf des Abends angeht.
Der Vorspeisenteller scheint von Scharffs reduktionistischen Plänen noch nichts mitbekommen zu haben, denn er besteht aus einer wahren Demonstration klassisch-französischer Kochtechniken. Eine rosa gebratene Wachtelbrust, eine Balottine mit Leber gefüllt und eine Entenleberpastete mit viel Parmesan. Ergänzt wird das Ganze durch eine kalte Jus, ein hervorragendes Feigenkonfit, Pinienkerne, Selleriepüree, Ackersalat und einen schön sauren Apfel-Sellerie-Salat, der mit Piment d’Espellette abgeschmeckt wurde. Alles handwerklich sehr gut gemacht. Einzig der geriebene und eher geschmacklose Sellerie mit einer Garnitur aus einem traurigen Blatt Shiso-Kresse ist etwas überflüssig.
8/10
Der zweite Gang besteht aus einer sehr sanft gegrillten Jacobsmuschel auf Fenchel-Risoni-Risotto einem aromatisch sehr dichten Schalotten-Zitruskonfit und Hummerschaum. Ein wunderbares Wohlfühlgericht für kalte Herbsttage, dessen Süße (Jacobsmuschel, Hummerschaum, Zitruskonfit) allerdings für mich gerade noch an der Grenze ist. Hier hätte vielleicht noch das eine oder andere Zitrusfilet als saurer Ausgleich gutgetan.
8/10
Als Fischgang folgt ein leider ein Mü übergarter Heilbutt in einem gut abgeschmecktem Kokos-Chili-Schaum. Dieser wird von einem köstlichen Kürbis-Kokos-Püree und einem säuerlichem Kürbis-Ragout begleitet, das eine wunderbare Balance zum süßen Kürbis herstellt und diesem seine manchmal auftretende Muffigkeit nimmt. Die hübschen Romanesco-Röschen sind gut gegart und bilden farblich einen schönen Kontrast zum dominierenden orangegelb, sind aber geschmacklich eher belanglos.
7,5 /10
Über das Dessert aus einem warmen Schokokuchen, Ingwerbirnen und einer Kugel Salzkaramelleis würde man sich in jedem gehobenem bürgerlichen Restaurant freuen, was hier wahrlich nicht despektierlich gemeint sein soll! Der à la carte Preis von nur 12 EUR ist sicher mehr als angemessen.
6/10
Die Weinbegleitung ist mit 32 EUR für 5 Gänge sehr fair kalkuliert. Besonders gefallen hat uns der Château Guiraud "G" Bordeaux Blanc von 2017.
Fazit: In Martin Scharffs Schlossweinstube bekommt man eine sehr gut zubereitete klassische Küche, der ein wenig Aktualität sicherlich nicht schaden könnte. Dennoch, meine anfängliche Skepsis konnte sich nicht bewahrheiten: Es war richtig lecker!
Scharffs Schlossweinstube im Heidelberger Schloss
Schlosshof 1
69117 Heidelberg
(0 62 21)8 72 70 10
www.heidelberger-schloss-gastronomie.de
Text + Fotos (c): Tobias Henrichs