Restaurant sein in Karlsruhe
Restaurant sein in Karlsruhe
Wohlgeschmack und traditionelles Handwerk gepaart mit Nachhaltigkeit und Kreativität.
Wohlgeschmack und traditionelles Handwerk gepaart mit Nachhaltigkeit und Kreativität. Diesen Maximen hat sich Thorsten Bender, Inhaber und Küchenchef des Restaurant sein in Karlsruhe verschrieben. Das ist auch der Grund, warum in seiner Küche kein sous-vide-Becken, kaum Texturgeber und keine Dogmen existieren. Wir haben das Restaurant an einem lauen Sommerabend im Juli besucht.
Ganz unauffällig reiht sich Karlsruhes' einziges, mit MICHELIN-Stern ausgezeichnetes Restaurant in eine ruhige Seitenstraße der Weststadt ein.
Wildes Straßenparken, statt Valet-Parking-Service, Vorstadt-Flair statt Innenstadt-Glamour und genau darum geht es Inhaber und Küchenchef Thorsten Bender (39), der hier in der Scheffelstraße 57 sein eigenes Restaurant-Konzept verwirklicht hat.
Schon als Kind wollte Bender unbedingt Koch werden. Das Kochhandwerk lernte Bender beim früheren Karlsruher Sterne-Koch Günter Buchmann, zuvor machte er (seinem Vater zuliebe) eine kaufmännische Lehre. Es folgten Stationen in Basel, in der Karlsruher Künstlerkneipe, bei Markus Nagy in Eggenstein und als Küchenchef in der Cantina Majolika. 2017 eröffnete er sein eigenes Restaurant und holte sich mit Sous Chef Manuel Herzog einen weiteren, top ausgebildeten Koch an seine Seite.
Der sympathische Karlsruher trägt auch sein Herz auf der Zunge und formuliert sein Credo mit badischem Dialekt: >> Hier soll der Gast abschalten und sein, wie er es möchte.<<.
Getreu diesem Motto ist der Gastraum elegant in Sandtönen gehalten und wirkt für uns - als erstmalige Gäste - angenehm unprätentiös, aber gleichermaßen hochwertig. Ein Wohnzimmer mit nur 8 Tischen ohne Zwänge und Förmlichkeit, aber dafür maximal gemütlich und einladend. Durch den Tresen in der Mitte des Gastraums, hat man manchmal sogar den Eindruck in einer gemütlichen Bar zu sitzen.
Der unkomplizierte und herzliche Service, in persona von Restaurantleiterin Franziska Dufner, vermittelt diesen Eindruck. Und natürlich trägt Franziska kein Pinguin-Kostüm mit Fliege, sondern maximal lässig Jeans, Pulli und graue Schürze. Auch Bender und Herzog servieren hier regelmäßig mit, was immer eine schöne Nähe zur Küche schafft und uns sehr gut gefällt.
Und auch wenn hier nur zwei Köche den Löffel schwingen, bietet das Restaurant dennoch zwei unabhängige Menüs an: das große Menü (7 Gänge), welches die gesamte Palette an Fleisch und Fisch bereit hält, sowie ein etwas kleineres Menü, welches sich speziell an Vegetarier und Pescetarier richtet und völlig fleischfrei auskommt - zeitgemäß und zeitgeistig. Wir freuen uns auf die bevorstehenden Stunden.
Die Küche schickt direkt ein paar feine Snacks und Knabbereien ins Rennen. Marinierte Kalamata-Oliven, mallorquinische Salzmandeln und getrockneter San Daniele-Schinken sind wunderbar einfache Knabbereien zu einem Glas Bollinger Special Cuvée Champagner.
Parallel dazu folgen noch zwei weitere Snacks: ein Tapioka-Chip mit feiner, milder Thaicurry-Crème und Korianderkresse und ein lauwarmer Mini-Flammkuchen mit Blutwurst, Crème Fraîche und Schnittlauch. Eine wunderbar zugängliche und schöne Einstimmung.
Als finale Küchengrüße folgen noch eine Variation von Entenleber, Kaffee und Walnuss und ein kleiner Gazpacho-Shot. Auch hier beweisen Thorsten Bender und Manuel Herzog exzellentes Aromenhandwerk. Das feine Entenleber-Mousse wird elegant mit Walnuss (als Eis und Crunch) und Kaffegel eingefasst und bietet unkomplizierten Genuss durch und durch. Besonders gut gefällt uns die kleine, separat gereichte Gazpacho, welche geschmacklich so beherzt und authentisch mit Knoblauch verfeinert wurde, dass man meinen könnte, in einem kleinen Restaurant in Málaga zu sitzen. Spitzenmäßig.
Es geht direkt ins Menü mit roh marinierter und fein aufgeschnittener Jakobsmuschel, welche von verschiedenen Zitrusfrüchten (Kalamansi, Limette und Fingerlimes), Kefir (aufgeschlagen und als Sud) und einem Minzöl begleitet wird.
Normalerweise sind wir bei roher Jakobsmuschel und deren meist vernachlässigbarem Genusswert immer etwas skeptisch. Doch hier ist es ganz anders. Das sommerlich frische Geschmacksbild wird von den verschieden Zitrusnoten und kühlen Temperaturen (mit einem hervorragenden Kalamansi-Sorbet) wunderbar untermalt. Der Kefir und ein Minzöl im Tellergrund boosten die Frische des Tellers nochmal gewaltig. Die feinen Jakobsmuschelscheiben umwehen das Gericht noch mit einer leichten Meeresbrise und bringen etwas Textur. Kurzum ein wunderbarer Teller!
Kross gebratener Schweinebauch und gerösteter Pulpo passen naturgemäß sehr gut zusammen. Thorsten Bender hat daraus sein Signature-Gericht entwickelt. Den Oktopus, sein Lieblingsprodukt, bezieht er fangfrisch aus Griechenland und begibt ihn mit dem Schweinebauch in ein Spannungsfeld aus Buchenpilzen (gebraten und als Crème), Mango (Chutney und Gel) und gießt das Ganze mit einem pikanten, thailändischen Sud an. Trotz des anmutenden intensiven Geschmacksbilds bleiben Pulpo und Schweinebauch die Sieger im Geschehen und gehen zu keiner Zeit unter. Die Kontrastierung zwischen Schärfe, Süße, Fruchtsäure mit der feinen Erdigkeit der Buchenpilze macht den Teller zudem schön spannend. Auch dieser Teller macht richtig Laune!
Die Reise geht weiter ans spanische Mittelmeer. Ein Schaumbad von tomatisierten Fenchelschaum umhüllt eine perfekt gebratene Tranche Wolfsbarsch. Herzhaft pikantes Chorizoöl, Aubergine (gegrillt, als Crème und Kaviar) und Kapernäpfel runden das tolle, mediterrane Geschmacksbild wunderbar ab. Das ist satter, unkomplizierter Wohlgeschmack auf jeder Gabel ohne in Langweile zu enden. Wir lehnen uns tief zufrieden zurück. Das macht Freude.
Ähnliches Plating aber völlig andere Geschmackswelt. Den Einschubgang aus dem kleineren Menü konnten wir - als Kaisergranat-Liebhaber - natürlich nicht ablehnen.
Süßkartoffel (Püree und als frittierte Perle), Ingwer (eingelegt und als Gel) und Kokosnuss (Chips und gerösteter Schaum) bilden die asiatisch-exotische Entourage und bieten den (zwei) Langoustines, in bemerkenswert kleiner Kalibrierung, ein ausgewogenes Aromenkostüm. Lediglich die Proportionierung des Süßkartoffel-Pürees halten wir für etwas übertrieben, da der Ingwer gegen die unbändige Süße kaum etwas ausrichten kann und die Balance des Gerichts an dieser Stelle etwas leidet. Diese subjektive Dissonanz lässt sich aber prima selbst beim Zusammenstellen der Gabel beheben. Sehr gut.
Da wirkt die Zutatenkombination des nächsten Gangs auf den ersten Blick deutlich klassischer. Ein großzügiges Stück gebratene, mit Zitruslack glasierte Gänseleber wird auf ein Podest aus Maiscreme drapiert und mit Orangenfilets und -gel, sowie einem Zitrus-Knäckebrot getoppt. Eine herrliche, leichte Sherry-Geflügel-Jus , welche dezent mit Vanille und Tonkabohne aromatisiert wurde, rundet das Arrangement wunderbar ab. So finden die Üppigkeit der Leber, Röstaromen, Fruchtigkeit und Süße exzellent zusammen, ohne dabei undifferenziert oder plakativ zu wirken. Die wunderbar, unkonventionelle Jus tut ihr übriges und klinkt sich dabei schön ein.
Leider begegnet man immer seltener Geflügel im Hauptgang. Umso mehr freuen wir uns, dass es hier und heute Schwarzfederhuhn gibt. Einmal die (perfekt) gebratene Brust mit Petersilienwurzel, eingemachten Kirschen und Holundergel. Separat wird die gezupfte Keule gereicht. Die sommerliche Kombination von Geflügel mit süßsäuerlicher Kirsche und Holunder wird durch die dezenten Bitterstoffe und der Erdigkeit der Petersilienwurzel geschickt arrondiert. Den endgültigen Wohlfühlfaktor steuert wieder eine intensive Jus bei, welche dem Gericht den (notwendigen) vollmundigen Körper gibt. Auch hier beweisen Bender & Herzog ein sicheres Händchen und liefern einen recht unkonventionellen und sehr soliden Hauptgang ab.
Als süße Einstimmung vor den eigentlichen Desserts macht die Küche gleich schon mal richtig Alarm. Ein gefüllter Nougat-Krapfen, eine Creme aus weißer Schokolade und frische Passionsfrucht (als Gel und Fruchtfleisch), dazu ein Passionsfrucht-Honig-Shot zum trinken. Kompromissloser Wohlgeschmack und schön erfrischend zugleich. So haben wir es gern.
Die Optik des Hauptdesserts erinnert mit seinem interessanten, blau-violetten Farbspektrum und puristischem Anrichtestil schon beinahe an zeitgenössische Kunst. In Wirklichkeit ist es ein Gebilde aus griechischem Joghurt, weißer Schokoladen-Mousse, Blaubeere (als Kompott und frischen Beeren) und einer Baiser-Platte, welche ein Quenelle aus weißem Schokolade-Lavendel-Eis ziert. Geschmacklich überzeugt uns vor allem die schöne Balance zwischen Süße und Säure, ohne dabei den, für das Seelenwohl essenziellen, Fettgehalt über den griechischen Joghurt und die Schokolade sicherzustellen. Der feinherbe Lavendel steuert noch eine zusätzliche, angenehme geschmackliche Dimension bei. Stimmig und sehr lecker!
Auf einer "geheimen" Waldlichtung in der Nähe wachsen Unmengen an wildem Waldmeister. Manuel Herzog hat eifrig gesammelt, aus der stark cumarinhaltigen Pflanze ein Espuma hergestellt und dieses dann anschließend schockgefrostet. Das Ergebnis ist eine feinporige, geeiste Masse, welche in einem Sud aus Ananas und Likör 43 badet und mit kleinen Tupfen von österreichischem Topfen üppig verfeinert wurde. Der Reiz des alternativen Desserts ist, dass es den wunderbar unverfälschten, natürlichen Geschmack des Waldmeisterkrauts mit schöner, fruchtig-süßer Kontrastierung wiedergibt. Die Textur des geeisten Espumas changiert dabei zwischen Granité und Sorbet. Ein leckeres und (gefühlt) rar gewordenes Vergnügen.
Auch die Petits Fours, welche in reichhaltiger Auswahl aus einer Weinkiste gereicht werden, sind sehr gut gelungen und schließen das Menü wunderbar ab. Beim Espresso lehnen wir uns entspannt zurück und lassen den kurzweiligen Abend Revue passieren. Es ist beinahe Mitternacht und jeder Gang noch in Erinnerung, was längst nicht immer der Fall ist - ein Kompliment an Bender & Herzog, welche mit Mut zur geschmacklichen Intensität und Eigenständigkeit, gepaart mit exzellentem Handwerk keinen Zweifel zulassen.
Auch die Atmosphäre im Restaurant dürfte eine der unkompliziertesten und herzlichsten sein, welche wir in letzter Zeit erfahren durften. Sympathie und Herzlichkeit sind immer noch die angenehmsten Abendbegleiter - Franziska Dufner sei Dank.
Beim Verlassen des Restaurants in die klare, laue Sommernacht wird es plötzlich mucksmäuschenstill um uns. Eine ruhige Seitenstraße im Wohnmischgebiet hat einfach Charme. Gute Nacht und (definitiv) auf Wiedersehen!
Alkoholische Getränkebegleitung
Aperitif |
Bollinger Special Cuvée Champagne |
1. Gang: Jakobsmuschel |
Nicolaihof Wachau, Grüner Veltliner, Österreich, 2017 |
2. Gang: Pulpo |
Vinothek Karl Pfaffmann, Riesling, Silberberg, Spätlese, Pfalz, 2016 |
3. Gang: Wolfsbarsch |
Domaine de Montfaucon, Viognier, Rhône, 2018 |
4. Gang: Langoustine |
Peter Jakob Kühn, Oestrich, Riesling trocken, Rheingau, 2018 |
5. Gang: Gänseleber |
Weingut Heitlinger, Pinot Blanc Reserve, Baden, 2017 |
6. Gang: Schwarzfederhuhn |
Domaine de Tours, Vin de Pays de Vaucluse (Cuvée), Rhône, 2012 |
7. Gang: Lavendel-Dessert |
Cascinetta Vietti, Moscato d'Asti, Piemont, 2018 |
8. Gang: Waldmeister-Dessert (Alternative) |
Domäne Wachau, Grüner Veltliner V.D.N., Österreich 2018 |
TEAM
Fazit:
Im sein erschaffen Thorsten Bender und Manuel Herzog mit tadellosem Handwerk eine spannende Weltküche, welche sich spielerisch lecker zwischen kulinarischen Evergreens und kreativen Aha-Momenten bewegt. Eine sympathische und unbedingt wiederholungsbedürftige Oase, um seine kulinarische Seele unbeschwert baumeln zu lassen.
Text, Fotos © les-etoiles.de