Restaurant Bareiss, Baiersbronn

Restaurant Bareiss, Baiersbronn
Die Deklination der Grande Cuisine.

Der Abstand von Alltag und Routine ist wahrscheinlich der größte Luxus, den man sich gönnen kann. Fernab urbaner Gefüge und Rastlosigkeit, im schönen Schwarzwald, geht das besonders gut im 5-Sterne-Superior-Hotel Bareiss in Baiersbronn-Mitteltal - und zwar auf allen Interessensebenen.
Wir haben heute (natürlich) die Kulinarik ins Auge gefasst und besuchen heute die inhärente Institution der Haute Cuisine, das Restaurant Bareiss***.

Wenn Claus-Peter Lumpp mit hoch aufgestellter Kochmütze und weißer, aufwendig bestickter Kochjacke mit Doppelknopfleiste seine Runde durch den prachtvollen Gastraum des Restaurants macht, verkörpert er in diesem Moment alle Attribute seiner Küche: Tradition, Klassik und Großzügigkeit.
Vor allem aber auch Kontinuität und Ruhe, mit welcher er bereits seit 1992 die Küche führt und besagtes Restaurant in den Koch-Olymp befördert hat. Drei Michelin-Sterne leuchten seit nunmehr 13 Jahren über seinem Tun. Ein Restaurant, welches für interessierte Essbegeisterte keinerlei weiterer Erklärung mehr bedarf.
Auch die Peripherie des Restaurants strotzt vor Konstanz und Generosität, so begeht Maître Thomas Brandt dieses Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Das Haus unterhält einen der beeindruckendsten Weinkeller Europas, in welchem über 1.000 Positionen schlummern - eine wahre Fleißaufgabe, welcher Sommelier Teoman Mezda mit großer Passion nachgeht.
Auch die Tatsache, dass man eine eigene Forellen- und Saibling-Zucht (Forellenhof Buhlbach) betreibt und ein Jagdrevier um das Hotel herum gepachtet hat, zeigt, dass man hier immer etwas mehr tut und sich nicht nur mit leeren Worthülsen ziert.
Eine wahrhaftige Oase für traditionelle Gaumen und eine rar gewordene Kuriosität (im positiven Sinne) für progressivere Gemüter. Wir freuen uns ausgesprochen, heute hier zu sein.
Sobald man die (bereits sehenswerte) Hotel-Anlage über einen schön angelegten Weg betritt, wird einem spätestens klar, dass man hier die Tradition des Schwarzwalds lebt und den Stolz auf das Brauchtum des Mittelgebirges keinesfalls verschweigt - angefangen bei der Außenarchitektur bis hin zur Bekleidung des Personals. Und genau das macht diesen Ort auch so magisch. Die liebevollen Holzvertäfelungen, geschnitzten Möbel und der dunkle Marmor-Steinboden wirken so authentisch, dass es selbst für nicht-traditionsbeseelte Gäste eine Freude und Lehrstunde sein dürfte - zumindest trifft das auf uns zu.
Das Restaurant selbst befindet sich im Erdgeschoss. Ein schicker Flur führt geradewegs auf die, unter Feinschmeckern bereits legendäre, schwere Holztür mit goldener Überschrift Bareiss zu. Maître Thomas Brandt öffnet die Tür und zeigt sofort auf welchem Level Gastgebertum verstanden werden kann, ohne dabei allzu förmlich und steif zu wirken.
Der Gastraum selbst ist ein Spiegelbild der Schwarzwälder Tradition und barocken Opulenz. Der royalblau-gemusterte Teppichboden, ein übergroßes, kontrastierendes Blumen-Arrangement und der prunkvolle Kronleuchter bilden den größtmöglichen Antagonismus zu der - heutzutage üblichen - Grau- und Schlammton-Klischees und sind schon einmal schöne Hingucker. Der fürstlich viktorianische Einrichtungsstil fernab jeder Schnörkellosigkeit macht dieses Gastraum zu einem der beeindruckendsten und extravagantesten der Republik.

Wir nehmen auf den komfortablen Stühlen Platz und treffen unsere Wahl. Auch wenn wir wissen, dass gerade die à la Carte-Gerichte hier besonders interessant sind, wählen wir das große Degustationsmenü (€ 245,--), um einen möglichst großen Querschnitt durch die verschiedenen Geschmackswelten und Hauptprodukte zu bekommen. Die Weinauswahl überlassen wir voll und ganz dem charmanten Teoman Mezda.

Bei einem Glas Champagner Charles Heidsieck Brut Bareiss Special Edition wird stilecht eine Etagère aus perfekt polierten Silber mit den ersten minutiös präparierten Snacks gereicht. Ein klitzekleines Stück Lauch-Kuchen begeistert mit seinem buttrig-sahnigen vollkommenen Geschmack und knusprigen Mürbteig. Die California Roll mit Kokosnuss-Curry punktet mit präzisen, jedoch eher subtileren fernöstlichen Nuancen, während ein Cracker mit intensiver geräucherten Forelle Lumpps' kraftvolles traditionelles Handwerk wieder unterstreicht. Komplettiert wird das Quartett an Fingersnacks von einen hauchfeinen Tartelette mit Kalbstafelspitz-Salat und Avocadocreme. Ebenfalls wunderbar gelungen und wieder ein schöner Beleg, dass man hier Tradition nicht allzu engstirnig betrachtet.

Auch das erste, rein vegetarische Amuse Bouche spricht diese Sprache, in dem es die Kombination von Kichererbsen und Granatapfel in ihrem authentisch orientalischen Kontext wiedergibt. Hierzu wird ein feines Kichererbsen-Mus mit intensiver Cumin-Note geschickt und elegant Granatapfel-Gel und Gelée mit schöner Säure eingefasst. Das relativ simple Aromenspiel wird mit einem à part servierten Beluga-Linsen-Salat unter einem sensationell komplexen Gewürz-Granité hervorragend ergänzt. Wunderbar.

Das finale Amuse-Bouche ist dann etwas weniger zugänglich und deutlich rustikaler angelegt. Auf eine Rotwein-Schalotten-Vinaigrette drapiert die Küche zwei rohe Tranchen vom Kingfish und vollendet das Ganze mit einer Nocke lauwarmen Brandade (Fischpüree). Auch wenn der Teller lecker ist, so fragen wir uns, warum man als Protagonisten nicht einen fettreicheren Fisch wie Matjes oder Makrele gewählt hat, welcher eher mit der Rustikalität und den Essignoten harmonieren könnte. So geht der feine, magere Kingfish leider etwas unter. Nichtsdestotrotz sehr gut.

Nicht nur der konservative Gaumen mit Hang zu klassischen Glaubensbekenntnissen in vollendeter Perfektion wird den ersten, offiziellen Gang lieben. Kaum jemand zelebriert das Thema Gänsestopfleber nämlich opulenter, ohne dabei dem Teller auch nur einen Funken Eleganz zu entreißen, wie Claus-Peter Lumpp.
Hier kombiniert er sie in Perfektion mit Kirsche und Haselnuss und stellt eine makellose Terrine als Miniaturturm in den Mittelpunkt des Tellers. Die aufwendige Entourage bilden eine, mit Haselnussschaum gefüllte und mit Blattgold dekorierte, Kirsche, ein famoses Haselnuss-Eis, geröstete Haselnüsse und Kirschgel. Das alles passt wunderbar, ist auf den Punkt temperiert und ist an üppigem, fettreichen Wohlgeschmack mit süß-säuerlichem Kick kaum zu überbieten. Ein separat gereichtes Gänseleber-Mousse ist perfekt an der Salzgrenze mit reichlich Umami austariert und eine himmlische Ergänzung. Traditionspflege vom Feinsten.

Die rubinrote Königin aller Tiefseegarnelen, die Gamba Carabiniera, ist die unverkennbare Protagonistin des nächsten Gangs. Majestätisch thront ein wunderschönes Exemplar auf einer intensiven Crustacéglace, welche wiederum von Zuckerschotencreme, Estragon und Sauerrahm-Tupfern umrahmt wird. Stimmiger und harmonischer lässt sich das wohl kaum umsetzen. Auch hier wählt man klassische und intensive Mitspieler, anstatt übliche, asiatische Aromenwelten aufzutun, welche man aber mit etwas ätherischer Yuzu trotzdem leicht am Gaumen andeutet. Unbeirrbar hervorragend.

Überdies ist auch der darauffolgende Gang ein eindrucksvolles Display klassischen Wohlgeschmacks. Eine, mit geröstetem, buttrigem Panko bestreute, konfierte schneeweise Tranche Saint Pierre kommt mit einer üppigen Pfifferling-Crème und einem emulgierten Liebstöckelsud auf den Teller. Hier stellt die Küche den schlichtweg, grandios austarierten Wohlgeschmack zwischen dem erdig delikatem Waldpilz, Meer, Butter und aromatischem Liebstöckel in den Vordergrund und belegt damit mühelos, wie unerschütterlich kulinarische Klassik sein kann. Hier lässt sich definitiv nichts verbessern – grandios!

Ebenfalls wunderbar ist das perfekt, goldbraun arosierte Kalbsbries des nächsten Gerichts, welches die Küche stimmig auf ein Podest aus weißem Bohnenpüree, umgeben von einer Palisade aus Kalbsjus und Kopfsalatvinaigrette, drapiert. Wie bei bisher allen Gerichten bedarf dieses Gericht auch keinerlei weiterer Erklärung. Die aromatischen Rollenspiel ist klar definiert und geht bestmöglich auf. Die fein säuerliche Vinaigrette kann der vollmundig intensiven Jus und dem Fleisch bestes Parole bieten und das milde Bohnenpüree verbindet beide Welten gekonnt und harmonisch. Knackige, marinierte Kopfsalat-Blätter und papierdünne Cracker machen das Gericht auch texturell zu einem absoluten Vergnügen. So einfach kann große Küche sein.

Direkt aus der besagten Bareiss-Jagd tischt die Küche als Hauptgang Reh auf. Auf dem ersten Teller zwei perfekt gegarte Tranchen aus dem Rehrücken mit feiner Wildjus und gebackenen Knollensellerie-Würfeln. Der Satellit präsentiert zwei wunderschöne, in Pinot Noir pochierte, Stücke aus der Rehnuss, welche auf einem lauwarmen Apfel-Sellerie-Salat (ähnlich einem Waldorf-Salat). Beide Teller wurden dezent mit Holunderblüte parfümiert. Ein kleines, ebenfalls à part serviertes sensationelles Holunderblüten-Ravioli vollendet die Trilogie und zerplatzt am Gaumen mit enormer Aromenintensität. Neben der beispiellosen Qualität des Rehs, dem äußerst präzisen Handwerk und geschickten aromatischen Akzentuierung mit Holunderblüten und etwas Preiselbeere wirkt das Gericht in seinem Traditionalismus und angenehmen Purismus trotzdem enorm zeitgemäß. Ein königlicher Hauptgang.

Auch wenn nach all der Opulenz schon allmählich die Sättigung einsetzt, freuen wir uns schon sehr auf einen der fürstlich bestücktesten Käsewagen der Republik. Eine Enzyklopädie an gereiften Kostbarkeiten, liebevoll sortiert und kategorisiert. Dazu werden klassische Condiments, wie Thymianhonig, Feigensenf, Weintrauben und eine wiederum beeindruckende Auswahl an verschiedenen Brotsorten gereicht. Was soll man auch sagen? Wir lassen uns eine "kleine" Auswahl zusammenstellen und wägen uns für einige Minuten im Käsehimmel.

Auch die Friandises sind nicht von dieser Welt und entziehen sich jedem Vergleich. Wir ziehen ehrfurchtsvoll unseren Hut vor Stefan Leitner und seinem Team.
Das Restaurant Bareiss liefert den absoluten Beweis dafür, wie zeitgemäß wahre Klassik ist. Das herzliche und überragende Serviceteam um Maître Thomas Brandt und Sommelier Teoman Mezda vervollständigen ein nahezu vollkommenes Mittagserlebnis, wie man es nur noch sehr selten erleben kann, und definitiv jede Reise wert ist.

Alkoholische Getränkebegleitung
Neben einer beeindruckenden Weinkeller-Führung und einer toll ausgesuchten Weinbegleitung, begeisterte Teoman Mezda mit viel Humor, Charme und Leidenschaft. Der Nachfolger von Jürgen Fendt mit türkischen Wurzeln und FAZ Sommelier des Jahres 2015 gehört - wie das Restaurant - zweifellos zu den besten des Landes.
Aperitif: |
Charles Heidsieck Champagne, Brut, Bareiss Special Edition |
1. Gang: Gänseleber |
Domaine Bellegarde, Cuvée Thibault A.O.C., Jurancon, 2013 |
2. Gang: Carabinero |
TerraVin, "Te Ahu", "Chardonnay, Marlborough, Neuseeland, 2011 |
3. Gang: St. Pierre |
Franck Massard of Epicure Wines, Alma Albarino, Rias Baixas, Galicien, 2014 |
4. Gang: Milchkalbsbries |
Hanspeter Ziereisen, Chardonnay trocken, Hard, Baden, 2015 |
5. Gang: Reh |
Château d'Oupia, Oppius, Carignan, Languedoc, Frankreich, 2013 |
6. Gang: Käse |
Clemens Busch, Marienburg Riesling, trocken, 2017 |
7. Gang: Dessert |
Bodegas Olivares, Dulce Monastrell, Jumilla, Spanien, 2016 |

Fazit:
Kaum jemand bewahrt den Heiligen Gral der Grande Cuisine ehrfurchtsvoller und authentischer als Claus-Peter Lumpp.
Ein Füllhorn an kulinarischen Kostbarkeiten, welches immer seine Berechtigung haben wird und in seiner schieren Tradition zeitlos ist. Ein wahres Fest, wie man es leider immer seltener erleben darf. Auf nach Baiersbronn-Mitteltal!
Text, Fotos © les-etoiles.de