Kulinarischer Genuss im Restaurant Mühle Schluchsee
Kulinarischer Genuss im Restaurant Mühle Schluchsee
Niclas Nussbaumer hat mit gerade einmal 29 Jahren erreicht, wonach viele Kollegen in Ihrem gesamten Berufsleben vergeblich die Hand ausstrecken. Der Guide Michelin zeichnete den gebürtigen Karlsruher in diesem Jahre mit zwei MICHELIN-Sternen aus und der Gault Millau stufte das Restaurant auf drei roten Hauben hoch. Dabei hat der somit jüngste 2-Sterne-Koch der Republik die Küchenchef-Stelle im Boutique Hotel Mühle im idyllischen Schluchsee im Schwarzwald gerade erst zweieinhalb Jahre inne, wo er 2021 Max Goldberg beerbte.
Wir hatten das Restaurant kurz nach Eröffnung (damals noch ohne Stern) und aktuell, im Juli 2023 besucht und waren von der vorangeschrittenen Präzision, Reduktion und dem Nachhaltigkeitsgedanken tief beeindruckt. Dabei gibt sich Nussbaumer bodenständig und tief bescheiden, ist sicher keine gehypte Eintagsfliege, sondern viel mehr ein Ausnahmetalent mit dem unerschütterlichen Ehrgeiz, seinen Gästen nur das Allerbeste zu servieren. Hier sind unsere Eindrücke.
Gastraum
Dinkelsauerteig-Brot - gesalzene Butter
Wie oft muss man ein Brot backen und verbessern, damit es perfekt ist? Niclas Nussbaumer kann die Frage selbst nicht genau beantworten. Am Ende ist es auch unerheblich ob dreihundert, sechshundert oder achthundert Mal, da das Ergebnis bereits ein Alleinstellungsmerkmal seines Restaurants sein dürfte.
Nussbaumer hat sich tief mit der Materie beschäftigt, verwendet eine mittlerweile vier Jahre alte Dinkelsauerteig-Mutter, verzichtet aufgrund ihrer Aktivität vollständig auf Hefe und backt auf einem heißen Stein, in einem dedizierten Ofen das wohl perfekteste und beste Brot, welches wir je probieren durften. Betörender Duft, saftig, aromatisch und mit wunderbar krosser Kruste. Unwirklich gut, als großzügig dicke Scheibe auf einem Teller serviert, und lediglich mit etwas gesalzener, französischer Rohmilchbutter serviert.
Dabei könnte man dieses Brot auch als Sinnbild seiner Küche betrachten, wo Perfektion, Ehrgeiz und Fleiß über allem steht. Showeffekte und Überflüssiges wird man hier wohl nicht finden.
Niclas Nussbaumer
Gelernt hat Niclas Nussbaumer in den besten Häusern des Landes. Schon jung bekam er Verantwortung bei namenhaften Adressen und kochte zuletzt, bis 2020 als Sous Chef an der Seite von Christian Jürgens im Dreisterne-Restaurant Überfahrt*** in Rottach-Egern am Tegernsee. Von Fine Bistronomy bis klassisch Französisch - fundierter könnte ein Lebenslauf wohl kaum sein.
Mit seiner Partnerin Lea Rupp folgte er 2021 dem Ruf in den Schwarzwald ins Boutique Hotel Mühle, welches von Marius Tröndle (Tröndle Hotelbetriebe GmbH) betrieben wird, und wo seit dem Weggang von Max Goldberg (Oxalis*) eine Küchenchef-Stelle vakant war.
Das traditionelle Schwarzwaldhaus (Baujahr 1603), welches bis ins 18. Jahrhundert als Getreidemühle genutzt wurde, mit ausladenden Fensterläden und üppig bepflanzten Blumenkästen in idyllischer Umgebung, lässt kulinarisch eher Schinken-Platten und Bibbeles-Käs vermuten, als eine Hochküche, welche einen Umweg wert ist.
Das Innendesign des Restaurants zeigt sich puristisch elegant und unaufgeregt. Das helle Holz und die blanken Tischplatten vermitteln japanisches Flair. Ein alter Kamin rustikale Gemütlichkeit und zwei Dry-Ager-Schränke erlauben einen Blick auf die zu erwartenden Köstlichkeiten des Abends und demonstrieren den Fokus auf das Produkt.
Und das steht im Mittelpunkt, wie auch in einer Art Selbstverständnis, welches mit persönlicher Ansprache auf jedem Tisch in einem versiegelten Couvert zu finden ist, betont wird. Enge Zusammenarbeit mit (lokalen) Lieferanten, Respekt und Verneigung vor den Produkten und die Verwendung von Haupt- und Teilstücken in der Menüfolge sind hier zentrale Punkte. So kommen gewisse Wiederholungen von Produkten an einem Abend vor, welche allerdings so elegant und subtil eingearbeitet sind, dass es vielen Gästen wohl gar nicht auffallen dürfte. Dieser vorbildlich nachhaltige Ansatz funktioniert auch über ein einheitlich serviertes Menü (7 Gänge, € 174,--), ohne à la Carte-Option. Der Gast kann sein Menü allerdings um einzelne Gänge oder Upgrades erweitern.
Amuse Bouche: Reh Paté & Boudin Noir // Hauptgang: Reh aus heimischer Jagd - Filderkraut & Vadouvan
So verarbeitet Nussbaumer das Reh (aus heimischer, nicht selten eigener Jagd) zu einem hocharomatischen und intensiven Paté mit Boudin Noir als Küchengruß. Aus den Abschnitten bereitet er eine Farce zu, welche er mit der Rehkeule oder - Rückenstücken zu als Art Ballottine (im Schweinenetz gegart) butterzart im Hauptgang serviert. Dazu gibt es eine klassische Rehjus, Filderkraut und eine fabelhaft rund abgeschmeckte Vadouvan-Hollandaise. Eine Verneigung vor klassisch, französischem Handwerk mit dem bereits Nussbaumer-eigenen, modernen Twist.
Amuse Bouche: Forelle & Radieschen // 2. Gang: Bachforelle aus Albbruck - Kohlrabi & Schnittlauch
Ähnlich geht Nussbaumer bei der Bachforelle aus Albbruck, vom Südrand des Schwarzwalds, vor. Welche er als mild gewürzten Salat mit Radieschen und pikant nachhallendem Yuzu Kosho als Küchengruß serviert und im zweiten Menü-Gang gebeizt und leicht geräuchert mit Schnittlauch und Kohlrabi. Millimetergenau abgemessene Forellenröllchen, papierdünnne, marinierte Kohlrabischlaufen, einer fabulös eleganten, seidig schimmernden Schnittlauch-Crème und einer Vinaigrette aus reduziertem Kohlrabisaft und Weißwein, Forellenkaviar und feinen Schnittlauch-Röllchen. Ein Weltklasse-Gang in unseren Augen.
Seeteufel aus der Bretagne - BBQ und Bohne // Bretonischer Steinbutt - Kombu - Vin Jaune
Trotz Nachhaltigkeitsgedanken lässt es sich die Küche auch nicht nehmen, fabelhafte französische Salzwasserfische zu verarbeiten. So wie der bretonische Seeteufel, welchen Nussbaumer auf dem Green-Egg mit Misolack über Holzkohle angrillt und Ihn später noch in Butter arrosiert. Anschließend toppt er die wunderschön abgeglänzte Seeteufel-Tranche mit einem lauwarmen Salat von grünen Bohnen und platziert ein paar Tupfen hervorragendes Bohnenpüree daneben. Eine schwungvolle Miso-Hippe und eine Art BBQ-Jus komplettieren das an Perfektion grenzende Geschmackserlebnis, welches vollkommen ohne plakative BBQ-Geschmacksnoten auskommt. Lediglich der feine Geschmack der Holzkohle ist ab und an am Gaumen präsent. Da kann man schon einmal ungläubig mit dem Kopf schütteln.
Den Steinbutt aus der Bretagne nappiert er mit einer milden, süßlich-jodigen Kombu-Algen-Crème, platziert perfekt gearbeitete Pommes Soufflés darauf und löffelt behutsam am Tisch eine sensationell buttrig-herbe Vin Jaune-Sauce an. Auch zwei glasierte und zuvor sautierte Scheiben Lauch machen in diesem Ensemble absolut Sinn und steuern neben der knackigen Textur würzig-vegetabile Noten hinzu. Es ist faszinierend, welche Ruhe und Purismus die Kreationen von Nussbaumer ausstrahlen. Das ist derart imponierend, dass wir uns am Tisch ungläubig mehrfach, und mit leichten Kopfschütteln anschauen.
Eingelegter Knollensellerie - Bio Eigelb & Petersilien-Fumet
Herrlich intensiv und nicht weniger weltklasse ist auch Nussbaumers ausgewiesenes Signature-Gericht. Hierzu plaziert er einen akurrat aufgewickelten, gepickelten Streifen Konollensellerie vertikal in der Tellermitte, füllt den Zylinder mit Selleriepüree und einem Petersiliensalat und verschließt Ihn mit einem, in Nussbutter konfierten, Bio-Eigelb.
Der tiefgründige Hauptdarsteller des Tellers ist eine herlich intensiv eingekochte Brühe vom Huhn (aus ehemaligen Legehennen eines regionalen Eierhofs) mit eingerührten, würzig-kräutrigem Petersilienöl. Das perfekt flüssige Eigelb und das umamireiche Elixier gehen eine wunderbare Verbindung miteinander ein. Dieses Gericht ist wahrlich spektakulär ohne ein Spektakel zu sein. Meisterhaftes Küchenhandwerk, unaufgeregt, harmonisch, eine Klasse für sich.
Matcha - Pandan - Zitrusfrüchte // Hauptdessert: Erdbeere - Buttermilch - Sancho
Auch Süßspeisen beherrscht die Küche – auch ohne dedizierte Patisserie – hervorragend. Nach einem frischen Gaumenreiniger aus Matcha, Pandan und Zitrusfrüchten, kommen die wohl reifsten Erdbeeren im Hauptdessert zum Einsatz, welche uns jemals serviert worden sind. Die bereits weinroten und zuckersüßen Beeren stammen aus Bad Krotzingen und dürften die letzten der Saison sein und sich exakt auf dem Zenit ihres Daseins befinden. Allein diese Tatsache macht das Dessert grandios, obwohl es lediglich ein Detail ist. Es sind die Kleinigkeiten, welche den Unterschied machen. Ein Hauch japanischer Sansho-Pfeffer verleiht auch hier einen angenehm unkonventionellen Twist in der beindruckenden Tellerharmonie.
Mignardises
Fabelhafte Mignardises (u.a. ein Schwarzwälder Kirschtorten-Tartelette) markieren den kulinarischen Schlussakkord und beenden ein Menü, welches sich spielend zwischen großartig und Weltklasse bewegte und dabei einen produktfokussierten Purismus offenbarte, wie Ihn nur wenige beherrschen. Dass Niclas Nussbaumer „erst“ 29 Jahre alt ist (wie anfangs erwähnt) ist zwar lediglich eine Randnotiz, aber man kann sich – bei diesem Füllhorn an Potenzial - durchaus ausmalen, wohin die Reise gehen kann, nämlich von den Großen zu den ganz Großen seiner Zunft. Wir jedenfalls ziehen ehrfurchtsvoll den Hut. Uns ist klar, dass wir diesmal keine eineinhalb Jahre für die Rückkehr benötigen. Gued Nacht, wie man hier sagt, und bis bald!
Alkoholische Getränkebegleitung
Immer eine Freude, die Weinbegleitung von Lea Rupp. Eine schöne Mischung aus bekannten und kleinen, handwerklich arbeitenden Weingütern aus Deutschland und Frankreich. Auch die Weinkarte mit circa 150 Positionen bietet einige Schätze zu fair kalkulierten Preisen.
Von links: Niclas Nussbaumer, Lea Rupp & Team
Fazit
Am idyllischen Schluchsee passiert Großes!
Niclas Nussbaumer und sein Team schlagen hier beindruckend hohe Wellen, für welche sich jetzt schon ein großer Umweg lohnt. Für uns ist das Restaurant jetzt schon reisewürdig und auf dem Weg nach ganz oben.
Mühle am Schluchsee
Text, Fotos © les-etoiles.de
auf Instagram zu erreichen unter: @les.etoiles_blog