Kopps Restaurant & Bar – ein Nachruf (Berlin-Mitte)
Kopps Restaurant & Bar – ein Nachruf (Berlin-Mitte)
Dieser Text könnte mit einem zotigen Hieb gegen fleischlose Kost von einem Jochen aus Rüdesheim beginnen, dessen Schreckensbleiche das gastronomische Zeitgeschehen unterhaltsam kommentiert, oder damit, weltläufig vorauszusetzen, dass es keinerlei Erklärung mehr bedarf, warum Fine Dining vegan funktioniert.
Obwohl es in Deutschland zum jetzigen Zeitpunkt 390 rein vegane Gastronomiebetriebe gibt (Stand: Januar 2024), drängelt sich mir neben dem Kopps in Berlin nur das Oukan in den Frontallappen, was letztere These abschwächt, während der Tatbestand, dass sich Jochen wohlmöglich trotz guter Argumente weiterhin über die tierfreie Ernährung der Klimahipster echauffieren würde, erstere ins Abseits befördert.
Ich beginne den Text also vorzugsweise mit der Protagonistin und die heißt Zita Sandór.
Jannik Stillger - Zita Sandór - Christian Liesendahl
Das Team
Zita kommt mit zarten 30 Jahren, einer Auszeichnung der Budapester Gundel Károly Vocational Catering School und Londoner 3-Stern-Erfahrung ins Kopps. Seit 2022 nennt sie das vegane Berliner Fine-Dining-Restaurant ihre professionelle Heimat und postierte sich mit ihrem Team direkt eine Rote Haube vom Gault-Millau auf den imaginären Kaminsims. Zita strahlt eine konzentrierte Akribie aus und wird ganz zart, wenn sie von ihrem Team erzählt, das hälftig aus kulinarischen Turbo-Bräuten und sanftmütigen Gastro-Buben besteht. Die Tatsache, dass ihr im Büro schlummernder Hund das einzige Tier ist, das den Weg in das unangestrengte Lokal am Koppenplatz findet, verblasst neben der geschmacklichen Explosionskraft ihrer Tellersprache zur Nebensächlichkeit.
Auf dem Teller
Wir freuen uns auf 5 Gänge aus Zitas gemüsigem Brachialgenre, die zeigen, dass vegane Küche mehr kann als Gurken fermentieren.
Wir werden abgeholt vom Hefeteiggruß aus der Küche mit erfrischend ploppendem Algenkaviar. Das Piroschki wurde mit Weißkohlfüllung ausgestopft und verweist umamig dicht auf die geschmackliche Wuchtigkeit der Folgegänge.
Erster Gang: Kürbis wird auf ein Buchweizentartelette aufgebahrt und mit Hauptgangs-Wumms in Tomatenwasser-Velouté ertränkt; hier überrascht die intensive Schärfe der Chilipaste im Nachgang, was in Anwesenheit der knalligen Pilz-Consommé des zweiten Tellers beinahe in Vergessenheit gerät.
In diesem Gericht steckt Umami für drei Spanferkel, das behaglich von Kräuternoten ausbalanciert wird.
Das nachhaltigkeits-zertifizierte Restaurant beweist neben verkürzten Lieferwegen, baulichen Klimaneutralitätsbestrebungen und saisonaler Produktorientierung seine From-Leaf-to-Root-Rigorosität konsequent auf der Keramik: woanders als Abfall in der Biotonne landend, finden sich die Korianderstile hier im Weizendumpling, während die Schalen des Kartoffel-Gangs als Jus eingekocht werden und schließlich final zu Kartoffelschaum verarbeitet werden.
Wem es zuweilen dann doch nach Fleischersatzbestrebungen dürstet, wird auf dem Folgeteller vom Tierkost-Glauben abfallen, denn während Rotkohl mit Main-Bitch-Gebahren auf dem Marmeladen-Sandwich thront, flankiert eine Foie Gras aus Spitzpaprika und Walnuss, die jedwedes Metzger-Gemüt erweichen und erlaubterweise unser Tischgespräch dominieren wird.
Beschlossen wird der Abend mit einer aromatischen Tonkabohnen-Schoko-Mousse, deren Amarena-Gel-betupftes Schokoairbrush-Geäst locker den Schöner-Wohnen-Design-Award für’s filigranste Wandornament abjagen würde. Das Kirsch-Mandel-Sorbet verbindet ungetrübt von Beschaffenheitsdifferenzen eine Freundschaft mit dem knackigen Mandel-Kakao-Crumble, was uns gefallsüchtig aus dem Menü verabschiedet.
Zitas Küche verzichtet konsequent auf die Gigantomanie in der Produktauswahl, brennt aber ein geschmackliches Stilistik-Feuerwerk ab - inklusive gnadenloser Verwertungslogik -, von dem manch rüpeliger Fleischgang peinlich berührt die nächste Ausfahrt Richtung Betriebskantine nehmen würde.
Im Glas
Jannick Stillger. Punkt. Merken Sie sich diesen Namen! Ausrufezeichen. Gehen Sie überall hin, wo er ist und lassen Sie sich sein promilleloses Gebräu beherzt in den Schlund gluckern. Während mancherlei hingepfützte 0-Prozent-Plörre andernorts mitunter in die Spuckflasche gehört, kommen hier nur fein ziselierte Liquores ins alkoholfreie Glas. So erfrischt ein aufgesprudelter Drink aus Orange, Salbei und Curry den ersten Kürbis-Gang, während eine Wassermelonen-Variation mit samtiger Macadamianuss durch initiales Gurken-Aroma zunächst verwirrt, um dann den Pilz-Gang vollmundig zu verlängern.
Das Reiz-Reaktions-Ensemble im Folgeglas verlangt uns Ambiguitätstoleranz ab und erreicht uns als optische Yin-Yang-Koproduktion aus süßlich-warmem Hafercappuccino vom geröstetem Sellerie und weißem Trüffel und einem kalten Preiselbeerschaum mit spitzer Säure.
Fotos, Text © Michaela Bauer
Michaela Bauer ist freie Autorin. Auf ihrem Blog Geschmackssinniges berichtet sie über kulinarische Auffälligkeiten, verfasst unkonventionelle Restaurantkritiken und stellt freche Fragen.
Fotos, Text © Michaela Bauer
Michaela Bauer ist freie Autorin. Auf ihrem Blog Geschmackssinniges berichtet sie über kulinarische Auffälligkeiten, verfasst unkonventionelle Restaurantkritiken und stellt freche Fragen.