Interview mit Mical Rosenblat (Loumi Dining - Berlin)
Interview mit Mical Rosenblat (Loumi Dining - Berlin)
Wer bist du, Mical?
Ich würde sagen, ich bin ein kleiner (sensibler) Frechdachs.
Woran merkt man das in deiner Arbeit?
Ich möchte jetzt nicht unsympathisch klingen, aber Gastro – gerade als Frau – ist es ein harter Job. Und ich glaube, dass ich mir da einfach wenig gefallen lasse. Ich bin ziemlich direkt in meiner Art. Letztens hatte ich einen Gast, der ein bisschen socially awkward war. Er war unzufrieden mit dem Platz an der Bar. Man kann bei uns als Einzelperson eben nur an der Bar sitzen, aber er hat darauf bestanden, dass er einen Tisch reserviert hat. Ich hab ihm dann versucht zu erklären, dass das gar nicht möglich sein kann, weil wir das nicht anbieten – wir würden viel zu viel Platz verlieren. Er meinte dann, ich könne mir sicher sein, dass er jetzt gehen werde. Und ich hab nur gesagt: „Okay, können Sie gerne machen. Dann wird Ihnen das Geld halt abgezogen, weil das dann eine No Show ist.“ Danach hat er sich irgendwie wieder beruhigt.
In welchen Momenten vermisst du euren Supper Club?
Damals haben wir das Ganze noch zu Hause gemacht. Das war einfach ein ganz anderes Gefühl – viel intimer, persönlicher, irgendwie unbeschwerter. Vor allem war der Druck nicht so groß wie heute und es gab auch kein finanzielles Risiko wie bei einem richtigen Restaurantbetrieb. Heute hängt da einfach viel mehr dran: ein Team, laufende Kosten, Verantwortung. Ich vermisse manchmal diese Leichtigkeit von damals – wo es nur ums Kochen, ums Gastgebersein und um einen schönen Abend ging.
Woran erkennst du, dass ein Abend im Loumi gelungen ist – bevor es dir jemand sagt?
Das merkt man sofort an der Energie im Raum. Es ist so ein bisschen wie ein unsichtbares Feedbacksystem. Man weiß, was man vorbereitet hat, was man serviert hat – und dann spürt man direkt, wie das ankommt. Loumi ist kein stilles Restaurant, es lebt richtig. Es ist laut, es ist schnell, es hat Bewegung – wie ein kleines Ballett, bei dem jeder genau weiß, wann er sich wo vorbeischiebt. Die Räume sind klein, wir sind viele, aber es funktioniert. Und wenn’s funktioniert, dann weiß man: Der Abend sitzt.
Gibt es ein kulinarisches Tabu, das ihr insgeheim unbedingt brechen wollt?
Kulinarische Tabus gibt es für uns nicht. Ich glaube, das liegt auch daran, dass wir keine klassische Ausbildung haben. Das ist ein Vorteil, weil wir uns dadurch keine Grenzen setzen. Karl Louis und ich haben da einfach unsere eigene Herangehensweise gefunden. Unsere Handschrift ist eher klassisch französisch, sehr produktfokussiert, mit einem asiatischen Touch hier und da. Und wir haben das große Glück, ein Team um uns zu haben, das diesen Spirit nicht nur mitträgt, sondern ihn auch prägt und uns beide jeden Tag weiterbringt. Wir machen einfach das, worauf wir Lust haben – und genau das machen wir gerade.
Was bedeutet der Stern für euch und habt ihr ihn erwartet?
Wir haben den Stern nie wirklich erwartet, aber es war natürlich unser allergrößter Traum. Und auf eine gewisse Weise sind wir diesem Traum Schritt für Schritt nähergekommen, einfach weil wir so starkes Feedback von unseren Gästen bekommen haben. Viele haben gesagt, dass es so besonders ist, was wir machen, und dass wir bestimmt einen Stern bekommen. Und irgendwann fängt man dann an, selbst darüber nachzudenken. Gleichzeitig ist dadurch natürlich auch der Druck gestiegen. Am Ende bedeutet der Stern für uns vor allem eines: Wertschätzung. Für unsere Arbeit, für die vielen Stunden, die wir da reinstecken, und für das, was wir gemeinsam mit dem Team aufgebaut haben.
Wer sollte hier essen kommen?
Ich will unbedingt, dass meine Oma mal herkommt. Das wäre eigentlich mein absoluter Wunschgast. Sie ist 98 und jetzt nicht mehr so mobil. Sie lebt eigentlich halb in Tel Aviv, halb in Hamburg, aber wegen des Krieges ist sie gerade in Hamburg. Leider wird das wahrscheinlich nicht mehr passieren. Karl Louis und ich haben ihr zwar schon mal zu Hause gekocht, aber das ist natürlich nicht dasselbe, wie wenn sie in unser Restaurant in Kreuzberg kommt. Trotzdem liest sie brav alles über uns, verfolgt alles ganz genau und ist unglaublich stolz. Allein zu wissen, dass sie das mitbekommt, bedeutet mir wahnsinnig viel.
Wessen Anerkennung bedeutet dir etwas?
Natürlich die meiner Oma, die ich eben schon erwähnt habe. Sie hat immer an mich geglaubt, auch in den Momenten, in denen ich selbst vielleicht nicht so ganz an mich geglaubt habe. Viele aus meiner Familie haben lange gedacht, dass ich eher flatterhaft bin, weil ich früher Sachen nicht so richtig durchgezogen habe. Und ich glaube, das zeigt ihnen jetzt – und auch mir selbst – dass ich es kann. Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich mal so hart arbeiten würde. Es ist schön zu merken, dass ich wirklich drangeblieben bin.
Karl Louis und ich haben aber auch immer an uns geglaubt. Und unsere allerengsten Freundinnen und Freunde auch. Ohne deren Rückhalt wäre das alles hier nicht möglich gewesen.
Meine eigene Anerkennung ist mir dabei genauso wichtig wie die meiner Familie.
Mit wem würdest du gern in welchem Berliner Restaurant sitzen?
Mit Angela Merkel würde ich gern mal essen gehen. Ich würde mich einfach gern mit ihr unterhalten und fragen, wie sie die Kanzlerjahre empfunden hat, was sie mit ihr gemacht haben und wie sie das heute sieht. Ich finde, das ist eine super interessante Frau. Das Einzige, was ich an ihr nicht gut finde, ist ihre Haltung zur LGBTQ-Community – da hätte ich mir mehr Offenheit und Support gewünscht. Ich würde sie entweder in eine richtig gute Eckkneipe einladen oder ins Grill Royal. So ein Ort, wo man schön im Spotlight sitzt und alle denken: Was machen die denn da zusammen? Darüber würde ich mich richtig amüsieren.
Wofür hast du kein Verständnis?
Für Intoleranz. Ich verstehe nicht, wie man andere Menschen verurteilen kann, nur weil sie anders leben, lieben oder aussehen. Das macht mich wirklich wütend. Und ich merke, dass ich in solchen Momenten sehr sensibel reagiere. Wenn jemand herablassend ist, respektlos oder sich über andere stellt, dann sage ich auch was. Nicht auf eine aggressive Art, aber schon so, dass die Person merkt, dass das nicht okay war. Ich glaube fest daran, dass man Haltung zeigen muss – auch im Kleinen. Gerade in einem Restaurant, wo so viele unterschiedliche Menschen zusammenkommen.
Bitte beende folgende Sätze:
Kunst und Essen können ... wunderbar miteinander harmonieren oder sich auch komplett beißen.
Kreuzberg ist genau der richtige Ort für uns, weil ... er so unerwartet ist. Genauso unerwartet, wie wir damals aufgetaucht sind. Ich liebe dieses Multikulti, dieses Nicht-in-eine-Schublade-passen-Müssen. Und eigentlich ist Kreuzberg auch die Wurzel von Loumi, weil genau hier damals unser Supper Club entstanden ist. Hier war früher mal ein Pastrami-Laden drin, den ich geliebt habe. Und jetzt dürfen wir hier sein.
Frauen und Gastronomie ... sind für mich komplett gleichgestellt. Aber die Realität sieht eben leider anders aus. Sowohl bei Gästen als auch innerhalb der Gastroszene. Man wird von Männern einfach anders behandelt, das ist so. Ich hoffe, dass sich das ändert, nicht nur in der Gastronomie.
Dein letztes Wort?
Danke
Mical
Die Fragen stellte © Michi Bauer
Michi Bauer ist freie Autorin. Auf ihrem Blog Geschmackssinniges berichtet sie über kulinarische Auffälligkeiten, verfasst unkonventionelle Restaurantkritiken und stellt freche Fragen.