Im Schick Essen bei Dennis Trommer.
Im Schick Essen bei Dennis Trommer.
Ein Chef mit hervorragendem Gespür für Aromatik.
Dass sich das Anfang 2020 eröffnete Restaurant „Schick Essen“ in Essen befindet, versteht sich fast von selbst, das Wortspiel will es so. Das „Schick“ im Namen bezieht sich auf den Vorgängerwirt des Lokals „Harry Schick“, ein Name, den man sich für einen Kneipenwirt in Essen ausdenken würde, wenn er nicht Realität wäre. Wahrlich „schick“ anzusehen ist jedenfalls auch das Essen von Dennis Trommer, der zurzeit noch ganz alleine in der Küche werkelt, was der Qualität aber keinerlei Abbruch tut. Es erklärt aber, warum „nur“ aus 9 Gerichten gewählt werden kann. Als Option stehen ein vegetarisches und ein omnivores Dreigang-Menü zur Verfügung, welche wir nach dem Verkosten der ersten beiden Gänge ohne viel Überlegens mit einem Upgrade versehen. Hier gilt es nichts zu verpassen!
Der sympathisch bescheidene Dennis Trommer sammelte reichlich Erfahrung in der regionalen Sterne-Gastronomie, unter anderem in der „Schote“ von Nelson Müller, im Restaurant Setzkasten und im Restaurant Hannappel. Stilistisch orientiert er sich an der Nordic Cuisine, räuchert und fermentiert gerne, lässt sich aber auch von der japanischen Küche beeinflussen. Seine Teller sind optisch wunderschön arrangiert, wobei aber erkennbar der Geschmack an erster Stelle steht. Überflüssige Deko gibt es nicht. Seine größte Stärke liegt jedoch in der Aromatik, hier zeigt er ein hervorragendes Gespür für Geschmackskombinationen, auch für ungewöhnliche.
Der Service von Inhaber Chris Walter ist locker und freundlich, die angebotenen Weine sind vom Preis-Leistungs-Verhältnis äußerst fair gestaltet (3,50 für ein Glas!). Die Einrichtung des Lokals ist recht minimalistisch, aber nicht ungemütlich. Gegenüber der ästhetischen Qualität des sterneverdächtigen Essens bleibt das, für ein Restaurant mit Ambitionen, etwas zusammengewürfelte Interieur allerdings leider etwas zurück. Doch handelt es sich ja bei diesem Medium nicht um den großen Interior-Guide, sondern einen Gastroführer, weshalb wir uns den einzelnen Gängen widmen wollen:
Der Abend beginnt gleich mit einem Highlight: Kurz angegarte Gelbschwanzmakrele in einem himmlischen Umami-Sud aus der Molke von Schwedenmilch, einer Art Sauermilch. Darin tummeln sich vergnügt Muscheln, Sojabohnen und Bohnen. Garniert wird das Ganze mit einem Kräuterpulver und Vogelmiere. Ein wundervoll gemütlicher Gang zum Einstieg, der von den Proportionen und Texturen perfekt abgestimmt wurde. Mnajm Mnjam.
9/10
Der vegetarische Einstieg besteht aus Kürbis in verschiedenen Texturen (Geröstet, gepickelt, Eis), die Trommer mit Buchenpilzen und einer Nocke cremigem und geschmacksintensivem Kombu-Eis auf der Basis von brauner Butter kombiniert. Dieses ist spannend, weil hier mit den Erwartungen gespielt wird. Kalte Temperatur trifft hier auf aromatische Wärme, Salzigkeit auf Süße. Leider ist das Ganze aber etwas zu groß dimensioniert und dominiert so den Teller. Angegossen wird am Tisch ein vegetarisches Dashi mit Kürbiskernöl. Ein Gang der schön mit verschiedenen Texturen und vor allem Temperaturen spielt. Man merkt, dass Trommer die vegetarischen Gerichte genauso am Herzen liegen wie die Fisch- und Fleischgänge.
7/10
Als Zwischengang gönnen wir uns nach dem erfolgreichen Start spontan noch einen Pulpoarm, der sich nach einer Rauchbehandlung zur Erfrischung in einem erfrischenden Rotkohl-Shiso-Sud baden darf. Der Pulpo erinnert dabei leicht an Schinken und ist recht bissfest. Geschmorte und ebenfalls geräucherte Rotkohlscheiben wurden gekonnt zu einer Insel aufgetürmt. Aromatisch funktioniert das wunderbar, allerdings fehlt ein Mittler zwischen den bissfesten Texturen von Pulpo und Rotkohl und dem flüssigen Sud. Ein wenig Püree oder Mayonaise wäre hier das I-Tüpfelchen gewesen.
Dennoch vermag der Gang in seiner Reduziertheit durchaus zu gefallen.
7/10
Der von uns nachträglich georderte Fischgang besteht aus einem perfekt gebratenem Dorsch in einer sehr cremigen Yuzusoße und Brunnenkressöl. Auf dem Fisch thront eine Nocke Topinambur-Püree mit etwas Topinambur-Chips und Sauerklee. Gegenüber macht sich eine mit Blutwurst gefüllte Teigtasche breit, sehr breit, denn geschmacklich ist sie etwas zu dominant. Ein schöner Gang, dessen mächtige Cremigkeit (Blutwurst, Topinambur-Püree, Soße,Öl) jedoch mächtigere Gegenspieler gebraucht hätte als die paar Chips und Sauerkleeblätter. Vielleicht wäre die Blutwurst hier besser als Crumble eingesetzt oder die Soße mit deutlich mehr Yuzu-Saft abgeschmeckt worden. Aber das ist Fine-Tuning an einem gelungenen Gericht.
7/10
Der Hauptgang des omnivoren Menüs kommt im Vergleich zu den anderen Gerichten klassisch daher. Eine für meinen Geschmack eine wenig zu weit gegarte Entenbrust, kombiniert mit leicht „batziger“ Kerbelwurzelcreme, die geschmacklich unter dem darauf liegenden Romanesco etwas untergeht. Einige Scheiben rohe Kerbelwurzel beispielsweise hätten dem Püree geschmacklich und texturell gutgetan. Nicht unterschlagen werden sollen die erfrischenden Johannisbeeren und die hervorragende dunkle Jus.
6/10
Der vegetarische Hauptgang besteht aus einer Scheibe gebratenen Sellerie, der mit Apfel, Feldsalat und Belper Knolle, ein mit Pfeffer ummantelter Käse, der hier über das Gericht gehobelt wurde. Die vegetarische Jus mit Mokka ist unglaublich gut gelungen und darf daher ab jetzt als neue Benchmark gelten! So viel Tiefe und Würzigkeit bekommen viele andere Köche bei ihrer klassischen Jus nicht hin!
7/10
Time for Dessert! Geschmacklich sehr harmonisch treffen wundervoll reife Kakipflaumen, Mais, Safran und Curry in einer orange-gelben Wohlfühlwelt zusammen. Die Blüten und Blätter vom Orangentagetes fügen sich aromatisch ebenfalls bestens ein. Hier zeigt Trommer sein großartiges Talent für ungewöhnliche Aromenkombinationen! Teilweise verschwimmen die Aromen aber so, dass jeder Löffel sehr ähnlich schmeckt und die Einzelaromen etwas untergehen. Um das etwas aufzubrechen, hätte man beispielsweise das Popcorn mit Curry-Karamell überziehen oder das Eis aromatisch stärker von der Maiscreme abgrenzen können.
7,5/10
Beim zweiten, sehr hübsch angerichteten Dessert wird es spannend: Schokolade als Crunch, Cracker und zweierlei Mousse trifft auf in Kakao gewälzten Ziegenkäse und fermentierte Zwetschge als Gel und Sorbet. Das funktioniert aromatisch sehr gut, aber ist für mich an der Salzgrenze für ein Dessert. Die Ziegenkäsekugeln sind geschmacklich sehr dominant, da die cremige Textur lange im Mund bleibt. Vielleicht wäre eine dezent mit Ziege parfümierte Mousse hier die bessere Wahl gewesen?
7/10
Fazit: Einen so mit einem Gespür für Aromatik ausgestatteten Koch wie Dennis Trommer sollte man auf der Watchlist haben!
Restaurant SCHICK ESSEN
Friederikenstraße 49-51
45130 Essen
Phone: 0178 466 22 61
Web: www.schick-essen.net
Text und Fotos: Tobias Henrichs , Instagram: @tobias__henrichs