Im Lamm Rosswag bei Steffen Ruggaber
Im Lamm Rosswag bei Steffen Ruggaber
Eine bestechend harmonische Aromenarchitektur.
Das mit einem Stern dekorierte Restaurant Lamm im beschaulichen württembergischen Weindörfchen Rosswag war uns bis vor kurzem kein Begriff und das, obwohl wir quasi um die Ecke wohnen. Das liegt vermutlich auch daran, dass Steffen Ruggaber so gut wie gar nicht auf Social Media unterwegs ist. Dabei sind seine Teller bildschön und damit eigentlich perfekt „instagrammable“. Probleme, sein Restaurant zu füllen hat der 46-jährige jedenfalls trotzdem nicht, denn mittlerweile hat er eine feste Stammkundschaft aus der Region aufgebaut.
Nach der Ausbildung in einem gutbürgerlichen Restaurant in Pforzheim hatte Ruggaber die Gelegenheit, die Welt der Sterneküche zu betreten. Bei Dieter Kaufmann konnte er die Struktur und bei Dieter Müller als Chef-Saucier das akkurate Arbeiten und die Kleinteiligkeit des Stils mitnehmen. Der Ausflug in die Spitzengastronomie endete jedoch relativ abrupt, als er mit 24 Jahren nach dem Tod des Vaters den elterlichen Betrieb in Rosswag übernehmen musste. Dort entwickelte er das Restaurant über mehrere Jahre stetig weiter, kochte nur noch mit frischen Zutaten und stellte schließlich nach einer größeren Renovierung erste Mitarbeiter mit Fine-Dining-Erfahrung ein. 10 Jahre nach der Übernahme des Betriebs wurde das Lamm 2009 schließlich mit einem Stern ausgezeichnet.
Die wunderschönen Teller Ruggabers zeichnen sich vor allem durch ihre Detailverliebtheit und das Spiel mit verschiedenen Texturen, auch aus der Molekularküche, aus. Dass das nicht mehr ganz dem aktuellen Zeitgeist entspricht, stört den Koch nicht und die Gäste wissen seinen Stil zu schätzen. Ob es wirklich jede der zahlreichen Komponenten braucht, sei dahingestellt. Bewundern muss man jedenfalls die Logistik, die dahintersteht, um solche Teller perfekt warm zum Gast zu bekommen. Auch die Aromenarchitektur der Gerichte ist komplex und sehr harmonisch, hier ist eindeutig großes Talent vorhanden!
Der Service von Sonja Ruggaber und ihrem Team ist angenehm herzlich und unkompliziert. Von steifem Sterneküchenhabitus ist man hier zum Glück weit entfernt.
Als Gast hat man die Wahl zwischen zwei 6-gängigen Menüs, wovon das eine vegetarisch und deutlich preiswerter ist. Dass beide nebeneinander angeboten werden und die vegetarische Option nicht nur verschämt unter der Ladentheke zu haben ist, ist eine Entscheidung, die wir nur begrüßen können!
Drei Kleinigkeiten eröffnen das Menü: Der Cracker mit Süßkartoffelpüree und Passionsfruchtgel ist ein wohlschmeckender Start, wenn auch etwas süß. Schön, dass gleich eine köstliche Erfrischung in Form eines Estragonsorbet-Lollis mit Erdnusscrunch bereitsteht. Wieder in eine andere Richtung geht die Praline aus Kalbskopf und -zunge, die in einer aromatischen Consommé deponiert wurde. Lecker!
8/10
Der erfrischende „Kleine Einstieg“ in das Menü ist bereits sehr komplex. Das Tatar von der Fjordforelle harmoniert wunderbar mit verschiedenen Texturen von Pastinake, Apfel und Olive. Für mich persönlich könnte die Balance zwischen Süße und Säure jedoch etwas mehr Richtung letzterer tendieren. Dasselbe gilt auch für die weiteren Gänge des Menüs. Ob wirklich jeder Gast gustatorisch zwischen dem Pastinakenpüree und der Pastinakenmousse differenzieren kann, zumal das kieselsteinförmige Mousse auch noch mit Püree dekoriert ist, sei hier infrage gestellt. Schaden tut es jedenfalls auch nicht!
8/10
Hätte man bei Ali Mitgutsch ein Wimmelbuch für die Sterneküche in Auftrag gegeben, dann wäre für ein Frühlingsbild wohl nur dieser Teller infrage gekommen. Neben Kalbstatar und -praline lassen sich Frischkäse, Frankfurter grüne Kräuter, Frühlingsgemüse und Pumpernickel-Chips entdecken. Das Ganze wird noch durch eine erfrischende Erbsenvinaigrette mit Kerbelöl abgerundet.
9/10
Originell ist die Anrichteweise des Thunfischs, der sich hier im zweiten Gang als Plattfisch getarnt hat. Ruggaber kombiniert ihn mit Kalamansi, Miso und Sesam. Grüner Spargel in Tempura, ein Sesamcracker und ein eher geschmackloser Sponge bringen weitere Texturen ins Spiel. Anders als bei den anderen Gerichten mutet diese Wahl aber leider mehr zufällig als zwingend an. Die Miso-Gelwürfel sind eher texturell und weniger geschmacklich relevant. Schade, denn der würzige Misogeschmack passt ansonsten wunderbar zum Thunfisch.
6 ½ /10
Der Steinbutt aus Galizien kommt im Vergleich zu den anderen Gängen eher reduziert daher. Ruggaber stellt ihm Senf, Eigelb, Petersilienöl und etwas trockene Nordseekrabben zur Seite. Angegossen wird noch eine leichte Fischsoße auf Butterbasis, die der Spitzenkoch wundervoll komponiert hat. Leider ist der Fisch nur recht dezent gesalzen. Da bekanntlich geschmacklich immer die salzigere Komponente dominiert, tritt der zarte Fisch stärker in den Hintergrund als er müsste. Schade! Insgesamt lässt sich aber festhalten: Ein leichter und frischer Fischgang der Spaß macht!
7/10
Beim nächsten Gang steht ein schön gebratener Zander im Mittelpunkt. Die darauf drapierte Scheibe Lardo ist sicherlich eine schöne Ergänzung,lässt sich aber nur schwer zerteilen. Ergänzt wird der Fisch durch Spitzkohlsalat, Sherry-Zwiebeln, Liebstöckelöl und Apfel-Tapioca. Letzteres ist eine Zutat, die man eher selten antrifft, die aber hier gut funktioniert. Dazu wird eine salzig-würzige Liebstöckelsoße gereicht, die auch hier den weniger gesalzenen Fisch dominiert. Zwar stimmt die Salzmenge im Ganzen, aber die Verteilung auf die einzelnen Komponenten könnte sicherlich überdacht werden. Durch die großzügige Portion Apfel-Tapioca ist auch dieser Gang recht süß, was durch die salzige Soße nur teilweise aufgefangen wird. Aromatisch ist dieses Gerichts allerdings herrlich komponiert.
7/10
Als Hauptgang gibt es Lamm gleich in drei Varianten auf zwei Tellern aber mit gleicher Aromenstruktur. Auf dem Hauptteller rosa gebratener Rücken und Kottelet mit einer noch recht knackigen Möhre, verschiedenen Texturen von Feta, schwarzem Knoblauchgel, Salzzitronengel und Vadouvan. Von der einen Praline aus Bulgur hätten wir gerne noch ein paar Geschwister gehabt, denn so dominiert das Lammfleisch schon deutlich den Teller. Selbstverständlich gibt es auch hier eine wunderbare Jus vom Lamm dazu.
Lamm Nummer 3 ist geschmort und wird à part mit Feta-Espuma und den anderen Aromaten serviert. Auch wenn beide Teller mit der perfekten Temperatur ankommen, gelingt es mir nicht, so schnell zu essen, um alles noch warm genießen zu können. Ein Jammer!
6 /10
Das Pre-Dessert besteht aus einer dekonstruierten Bloody Mary und ist sehr erfrischend, komplex und auch nicht zu süß.
8/10
Highlight des Menüs ist allerdings das Dessert aus der ungewöhnlichen Aromenkombination Bergamotte, Schafsmilch und Rucola. Toll, wie es hier gelingt, die drei eher herb-strengen Aromen so zu dosieren, dass sie ein traumhaftes und harmonisches Miteinander feiern. Ein Dessert, dass stilistisch an Julien Duvernay, den Patissier von Tanja Grandits, erinnert und den Vergleich mit dessen Kreationen wahrlich nicht scheuen muss. Großartig!
10/10
Das Menü endet mit einer erfrischenden Kreation aus Passionsfrucht und Schokolade, einem Vanille-Macaron und einer Praline mit Brombeerfüllung. Ein solider Abschluss eines schönen Menüs!
6 ½ /10
Fazit: Es lohnt sich, auch abseits der sozialen Medien nach hervorragenden Restaurants Ausschau zu halten. Denn ansonsten hätten wir die feingliedrige und harmonische Küche von Steffen Ruggaber womöglich nie kennengelernt und das wäre schade. Lektion gelernt!
Lamm Rosswag
Rathausstraße 4
71665 Vaihingen an der Enz
Text und Fotos: Tobias Henrichs , Instagram: @tobias__henrichs