Im Lagalante Ristorante Berlin-Schöneberg
Im Lagalante Ristorante Berlin-Schöneberg
Apulien in Schöneberg
Nie wieder Schöneberg!
Das hatte ich mir vorgenommen, nachdem mein letzter Abend im Lagalante wohlgenährt in der fußläufig entfernten Salut Bar endete, wo ich mir getragen von naiver Gutgläubigkeit an diesen aufgeräumt-pittoresken Bezirk einen „Green Dream“ bestellte. Der verwendete Weed-infused Gin sorgte zusammen mit meiner inneren Abneigung und Unbegabtheit in Bezug auf jedweden Drogenkonsum für nächtliche Fluch-Eskapaden.
Berauscht und grobschlächtig über die ignorante Fahrlässigkeit des Barpersonals (Und das in Schöneberg! Einem Bezirk, in dem nur vernünftige Leute wohnen!) lamentierend, rohrspatzte ich lautstark um die Apostel-Paulus-Kirche. Von den gentrifizierten Balkonen nur ein gelangweiltes Hochschauen vom Rotweinglas, bevor man sich wieder behaglich an die Premium-Paradise-Garten-Lounge-Sitzgarnitur schmiegte. Der Abend endete mit einem sichtlich verunsicherten Taxifahrer, einer Verbrennung zweiten Grades an der linken Hand und dem besten Freund, der bis in die Morgenstunden meine hochphilosophischen Ergüsse verständig abnickte. Abnicken musste. Aber das wollte ich ja gar nicht erzählen...
Wie es sich für seriöse Restaurantkritikerinnen gehört, absolvierte ich meinen Besuch im Lagalante dieses Mal ausnahmslos nüchtern. Dabei half mir „San Bitter“ – die alkoholfreie Vollfrucht-Variante des Aperols aus Norditalien, die ich an dieser Stelle ausdrücklich empfehle.
Als Gruß aus der Küche erreicht uns der italienische Fladenbrot-Klassiker Foccaccia in Form eines herzeigbaren Bagels mit zart zerfließender Burrata, frischen Feigen und luftgetrocknetem Capocollo. Optisch und kompositorisch ein kreativer Start. Dazu werden uns die typisch italienischen Hackbällchen „Polpetti“ gereicht, die uns als vegetarische Brot-Petersilie-Parmesan-Variante überraschen.
Die Vorspeise zeigt sich produktfokussiert: solider Dickbohnenpüree schafft eine ausgleichende Basis, während die pochierten Austern und süßen Zwiebeln selbstbewusst nach vorn preschen. On Top haben‘s sich Löwenzahnblätter gemütlich gemacht, die sich allerdings eher als kulinarischer Beifang herausstellen. Wer auf Meeresgetier steht, wird bei diesem Gang dennoch in frühkindliche Überbegeisterung verfallen.
Restaurantinhaber Antonio Lagalante, der sich mit der Eröffnung 2017 den großen Traum vom eigenen Restaurant erfüllt hat, stammt genau wie die Pasta des Hauptgangs aus Apulien: Feine Orechiette-Öhrchen und frittierter Brokkoli – beides auf den Punkt al dente - dazu faserig-cremiger Stratiatella-Käse und frittiertes Brot, das - wie unser Kellner Alberto erklärt - in Italien als Käse „für arme Leute“ gilt.
Besonders bemerkenswert an dieser Stelle: die an diesem Abend mehrmals an den Tischen anhaltenden Straßenfeger-Verkäufer*innen werden hier nicht – wie oft in Restaurants beobachtet – weggejagt, sondern Alberto nimmt sich trotz eines rauschenden Samstag-Abend-Geschäfts zwischen Weinbestellungen und Teller zu den Tischen wirbeln immer wieder Zeit für ein kleines Gespräch mit ihnen.
Schon etwas angeschlagen von den wohlportionierten, aber doch recht mächtigen Gängen schickt uns die Küche ein Dessert aus luftigem Blätterteig mit erfrischendem Zitronenpudding und süßen Amarenakirschen. Nicht zu schwer und nicht zu süß - ein schlichter, aber eleganter Abschluss. Den lässt's sich in so einer spätsommerlichen Nacht noch souverän auf den Gartenstühlen vor dem Restaurant genießen, während man entrückt schauende Paare mit vom Rotwein lahmgelegten Zungen an den Nebentischen beobachten kann.
Satt und zufrieden entließ uns das Lagalante in die Schöneberger Nacht. Als ich unter den gentrifizierten Balkonen entlang ging, zog ich den Mantel Richtung Nase und schob die Sonnenbrille ins Gesicht. Die Straßenlaternen sind so grell hier in Schöneberg...
Lagalante Ristorante
Grunewaldstraße 82 , 10823 Berlin - Schöneberg
Tel: 030 98 37 52 96
www.lagalante-restaurant.de
Michaela Bauer ist freie Autorin. Auf ihrem Blog Geschmackssinniges berichtet sie über kulinarische Auffälligkeiten, verfasst unkonventionelle Restaurantkritiken und stellt freche Fragen.
Fotos, Text © Michaela Bauer