Im faelt bei Björn Swanson, Berlin
Im faelt bei Björn Swanson, Berlin
Reduziert auf das Wesentliche: Geschmack!
Ein idyllischer 4-Seiten-Hof irgendwo in der Umgebung von Berlin. Björn Swanson läuft durch die Felder und prüft, ob die alten Gemüsesorten schon reif sind für die Verwendung im Restaurant, pflückt frische Kräuter, probiert noch schnell etwas von der frischen Bio-Milch. Wenn es nach dem Sternekoch ginge, soll diese Szene nicht Traum bleiben, sondern bald auch Realität werden. Bis dieses Zukunftsszenario hoffentlich bald eintreten wird, bezieht er die Molkereiprodukte von seinem Schwager, Gemüse und Fleisch möglichst von kleinen Betrieben aus der Region. Ständig ist er auf der Suche nach neuen, noch besseren Lieferanten, die ihm nachhaltige und regionale Produkte vom Feld ins „Faelt“ liefern können. Wer so viel Liebe in die Produktauswahl steckt, der braucht keine Pinzette, sondern weiß mit einem minimalistisch-fokussierten Stil zu begeistern.
Während er in seiner früheren Wirkungsstätte, dem „Golvet“, noch Kompromisse an den Massengeschmack machen musste, konnte er im deutlich kleineren „Faelt“ viel mehr von dem verwirklichen, was ihn auszeichnet. Das Restaurant soll sich nicht anfühlen wie ein Sternerestaurant, sondern sich auch in die studentisch geprägte Umgebung des Berliner Stadtteils Schöneberg einfügen. Gelingt das? Definitiv, denn die zwanglose Atmosphäre und der bewusst sehr günstig gewählte Preis führen dazu, dass sich hier vor allem Menschen angezogen fühlen, die nicht primär aus Gründen der Distinktion ins Fine-Dining Restaurant gehen.
Wie kommt der günstige Preis von 89 Euro zustande? Antwort: Zum einen durch den Verzicht auf teure Luxusprodukte wie Caviar, Hummer und Co., zum anderen aber auch als bewusste Entscheidung, auch wenn der Markt viel höhere Preise hergeben würde. Großen Respekt für sein gesellschaftliches und soziales Bewusstsein, das Swanson übrigens auch zeigt, indem er dem Personal faire Löhne bezahlt und sich in seiner Rolle als Chef - auch öffentlich - hinterfragt.
Ein festes Menü von 9 Gängen wird von den Köchen selbst serviert, die einzelnen Gänge konsequent mit der Angabe zweier Komponenten angekündigt. Die Getränkebegleitung ist ebenfalls preislich äußerst fair konzipiert. Der Magen freut sich, dass die alkoholfreie Begleitung nicht aus 9 fermentierten Flüssigkeiten besteht, wie anderenorts teils üblich. Sommelière Sharin Polte macht hier, aber auch bei der Weinbegleitung einen sehr guten Job.
Das Menü beginnt mit einer samtigen Hokkaido-Kürbis-Pannacotta, bedeckt mit einem aufgeschäumten Letscho-Sud. Optisch und geschmacklich ein richtig schönes Herbstgericht. Die rauchigen und bitteren Noten des ungarischen Schmorgerichts Letscho (Speck, Paprika, Zwiebeln etc.) werden durch die mild-süße Pannacotta gut aufgefangen. Ein gefälliger, aber auch etwas eindimensionaler Einstieg.
6/10
WIRSING & MISO
Komplexer wird es beim zweiten Gang. Ein angenehm mildes Kimchi mit knusprigem und leicht gebratenem Kohl freundet sich auf diesem Teller mit einem Sorbet aus Miso und Räucheraalfond erstaunlich gut an. Das kalte und süß-würzige Sorbet hebt dabei das scharf-saure Kimchi auf ein neues Level. Die Fermentationsnoten bleiben schön im Hintergrund, was man auch schon anders erlebt hat. Auch texturell ist das Gericht trotz der eigentlich immer noch überschaubaren Anzahl an Komponenten spannend zu essen. Jeder Bissen schmeckt anders. Der Räucheraalfond für das Sorbet ist übrigens ein Überbleibsel aus dem Menü des Vormonats. So geht Nachhaltigkeit!
8/10
KÄSESCHRIPPE & RAUCHBUTTER
Man verzeihe mir, wenn ich in diesem Falle erneut über das servierte Brot spreche. Das führte anderenorts zur Diskussion, ob das Brot nun ein Teil des Menüs ist oder nicht. Hier scheint mir diese Frage aber klar mit Ja beantwortbar zu sein, denn die köstlich flaumig-weichen Käseschrippen aus Kartoffelteig verdienen es nicht, einfach so ignoriert zu werden! Die Rauchbutter passt hervorragend dazu. Ebenso das von Björn Swanson mitentwickelte Rauchbier mit dem schönen Namen „Smoky Swan“, das von Sharin Polte unverständlicherweise etwas defensiv feilgeboten wird. Mir jedenfalls schmeckt es richtig gut.
8/10
SHABU & KABELJAU
Es folgt ein dünn aufgeschnittener Kabeljau auf einer Meerrettich-Crème-Fraiche, die mit einem Shabu-Sud am Tisch begossen werden, wodurch der rohe Fisch leicht gegart wird. Bei Shabu-Shabu handelt es sich um ein japanisches Fondue, bei dem hauchdünne Fleischscheiben in einer heißen Rinderbrühe mit Sherry, Fischsoße und Gewürzen gegart wird. Auch dieses Gericht besticht durch seine Einfachheit und eine durchdachte Balance der Komponenten. Die warme und füllige Suppe bricht sich schön am kühlen und frischen Fisch mit der Meerrettich-Creme.
8/10
BARSZCZ & RAHM
Der in Polen (Barszcz) und Russland (Bortschsch) sehr beliebte Eintopf mit Roter Beete und Kraut steht Pate für den nächsten Gang. Der den zweiten Teil des Namens ausmachende „Rahm“ befindet sich unter einer Haube aus einer Art Salat mit roher und gekochter Rote-Beete und in Rote-Beete-Saft gekochter Fregola, kleinen, gerösteten Nudeln. Diese erinnern beim Essen texturell ein wenig an aufgeweichten Gouda und erzeugen so bei mir – man mag mich dafür schelten - die Assoziation mit dem vor einigen Jahren beliebten „Schichtsalat“. Vielleicht wäre es besser gewesen, die Fregola erst vor dem Servieren unterzuheben, damit sie nicht so durchweicht. Am Tisch wird das Ganze dann noch mit einem erfrischenden und mit Chili leicht eingeschärftem Barszcz-Granité beschaufelt. Ein schöner Gang, der am ersten Tag des neuen Menüs vielleicht noch nicht ganz seinen Höhepunkt erreicht hatte.
7/10
FERKEL & STEINPILZ
Das knusprig gebratene Ferkel des Hauptgangs macht hingegen einfach nur Spaß. Kombiniert mit einer röststoffreichen Jus mit kleinen Würfeln aus Schweinebauch, Steinpilzpüree und einem frisch-scharfem Ragout aus Senfsaat ein richtiges Wohlfühlgericht mit Umami-Power. Der Tester meinte übrigens in der Jus sicher Kaffee herauszuschmecken, womit er sich allerdings beim Küchenteam eher blamierte. Nun ja…
8,5/10
KÜRBISKERN & SIRUP
Waren die vorausgegangenen Gänge schon sehr reduziert aufgebaut, so lehrt der nächste Gang, dass es immer noch reduzierter geht. Ein Würfel aus karamellisiertem Kürbiskern-Focaccia in einem glasklaren Sud aus Blauschimmelkäse und etwas Kürbiskernöl. That‘s it. Aber mehr braucht man wirklich auch nicht. Allein der klare Sirup bringt schon so viel Faszination mit, dass man auf Chichi getrost verzichten kann. Er wird hergestellt, indem ein Zuckersirup mit dem Käse für mehrere Tage vakuumiert wird. So geht der Geschmack langsam in den Sirup über. Mehr davon!
10/10
HAGEBUTTE & HORSE’S NECK
Auch das Dessert kann mit dem hohen Niveau mithalten. In einem Sud aus dem Highball „Horse’s Neck“, der aus Whiskey und Ginger-Ale besteht, sitzt eine Nocke Hagebutteneis, die wiederum mit Ziegeln aus Wacholder-Baiser bedeckt ist. Die Aromen ergänzen und unterstützen sich alle gegenseitig und schaffen so ein sehr harmonisches Geschmacksbild. Lediglich der Wacholder geht deutlich unter, was schade ist, denn er würde wunderbar passen.
8,5/10
KONDENSMILCH & PFANNKUCHEN
Zum Abschluss wird ein Pfannkuchen gereicht, den man außerhalb von Berlin als Berliner bezeichnet, Pfannkuchen wiederum kennt man außerhalb von Berlin als flachen Eierkuchen. Davon wollen wir uns hier aber nicht verwirren lassen und beißen in die mit Pflaumenmus gefüllte Kugel, die mit Kondensmilch-Schaum serviert wird. Das schmeckt lecker, aber auch etwas konventionell.
5/10
Restaurant faelt
Vorbergstraße 10 a
10823 Berlin
Phone: +49 160 932 77 462
Web: www.faelt.de
Text und Fotos: Tobias Henrichs , Instagram: @tobias__henrichs