Food-Koma statt Winterschlaf

Food-Koma statt Winterschlaf
Veganuary und Dry January Jakobi-Style mit ein paar kleinen großartigen Ausnahmen. Zum Beispiel einer 3-Liter Flasche Sherry mit Gänsehaut- und Hühnerhaut-Momenten.
Mitte Januar war ich einmal mehr bei Lukas Jakobi im Zwanzig23 eingeladen und wurde verwöhnt, wie noch nie. Statt tristem Dry January und langweiligem Veganuary hat er mir gezeigt, was man aus tierfreien Speisen und antialkoholischen Getränken alles zaubern kann. Aber auch darüber hinaus durfte ich mich über einige seiner außergewöhnlichen Food-Kreationen aus dem nicht-veganen Menu freuen.
Früher war Veganuary und Dry January für Genussmenschen die schlimmste Zeit des Jahres.
Zwischen Diätplänen, sehr begrenzten veganen Angeboten und dem "verzweifelten" Versuch an 31 eiskalten, nicht enden wollenden Tagen mal keinen Alkohol zu trinken, war man in dieser tristen Jahreszeit ganz schön auf sich allein gestellt. ;-)
Eine großartige Alternative dazu bietet inzwischen das Zwanzig23 by Lukas Jakobi in Düsseldorf-Bilk.
Das vegane Food-Menu ist überragend und auch in der "liquid Kitchen" bekommt man hier mindestens genauso gute alkoholfreie wie alkoholische Drinks.
Weitere aktuelle Infos zu Lukas Jakobi und dem Zwanzig23 in der PDF-Datei

Los geht es im Zwanzig23 wie immer mit einer kleinen „Zauberkugel“, die die Gäste mit einem Mix aus süß, sauer, scharf, umami und allen verfügbaren Aromen auf den Abend einstimmt.
Ich bin immer wieder begeistert, wie es Jakobi in einer so kleinen Praline gleich zu Beginn schafft so viele Geschmacksrichtungen zu einer so perfekten Mischung zusammen zu bringen. Das ist jedes Mal mein erster Gänsehautmoment, wenn ich auf die Kugel beiße und die Geschmacksexplosion in meinem Mund gezündet wird.

Danach folgt mit dem „Taste The Waste“ ein Starter-Menu, das man auch als Jakobis zweites „Signature-Dish“ bezeichnen könnte. Diese nachhaltige Amuse-Bouche („Mundfreude“) hat dem Zwanzig23 übrigens den Grünen Stern eingebracht. Und es wäre nicht verwunderlich, wenn sie von Jakobi (der seine Art zu würzen auch gern mal mit „schön auf die Fresse“ umschreibt) hier weiterhin weniger vornehm als Amuse-Gueule („Freude des Mauls“) angeboten würde… Wenn sie nicht eben schon den noch passenderen Namen „Taste The Waste“ erhalten hätte.
Damit vollendet Jakobi den „Nose to Tail“-Ansatz übrigens gleich zu Beginn auf einzigartige Weise.
Die Reste der Speisen aus dem Menu werden zu kleinen Kunstwerken und im Zickzack-Kurs nacheinander verspeist. Es folgt eine Geschmacksexplosion auf die andere.
Die verwendeten „Abfälle“ bzw. Zutaten sind so „vielfältig“, das sie im Prinzip fast schon wie ein zweites, kleines Menu daher kommen und sind in jedem Fall eine fantastische Einstimmung für das, was da noch kommen soll.
Von vorne nach hinten geht es los mit einem Mix von rohen Garnelen und Trüffeln. Im Taste the Waste-Menu sind das Surimi von Fisch-Parüren und Karkassen mit Krustentier-Espuma.
Gefolgt von einem Tartlette vom fettigen Bauch der Gelbflossenmakrele mit Feldsalatcreme und rotem Rettich. Jakobsmuschel mit Chawanmushi aus Corel mit Salat vom Rosenkohl und geflämmter Chili ist der nächste Snack zum Löffeln. Den Lachsforellen-Kimchi-Fishcake nach Rezept von Joni’s Mama ist hier Nummer 4 von 6, bei mir in der Geschmacksreihenfolge der Vorspeisen aber wesentlich weiter oben angesiedelt. Als vorletzter Snack erwartet mich ein Rehrückenschinken mit Gel aus Preiselbeer-Einlegefond.
Und der letzte kleine Leckerbissen ist eine Eifler-Wagyu-Krokette und eine Hommage an Jakobis Zeit beim niederländischen Koch Jonnie Boer.

Antialkoholische Liquid Kitchen statt Gesöff im Dry January
Der Dry January macht mir heute auch nichts aus. Ich trinke ohnehin eher wenig Alkohol und Wein zu den Menus, um mich am liebsten voll und ganz auf das Essen konzentrieren zu können.
Hier wird es einem aber auch leicht gemacht keinen Alkohol zu trinken, weil es eine hervorragende antialkoholische Getränkebegleitung gibt. Diese kommt bisher noch exklusiv aus Jakobis Feder bzw. Flasche.
Bald soll auch der neue Sommelier Wenzl mit einbezogen werden und an den flüssigen Kompositionen mitarbeiten oder ganz eigene Drinks mixen.
In der „Liquid Kitchen“ findet man auf der Karte zurzeit so klangvolle Namen wie Blütenkompositionen, Ume Tee mit Koriandersaat, Scharfe Aromen Riesling oder Verjus HeiligenblutX und sogar eine Zwanzig23 Cola. Einer meiner Highlights bei den Drinks war Birne-Thymian, etwas viskos mit Stückchen. Und auch der Thymian war frisch angerührt.

Weiter geht es mit Brot, verbrannter Butter mit Sojasoße und Chiliflocken.
Und dieses Farbspiel aus Dunkelrot und leuchtendem Blau ist allein schon optisch ein großes Vergnügen.

Danach geht’s eigentlich erst so richtig los:
Rohe Garnele mit Trüffeln ist ein herrlich würziger Start in die „Hauptspeisen“,...

Aus dem veganen Menu bekomme ich dann einen „Zwischengang“ mit Rote Beete und Austernblatt, die man nur mit „Jakobi-Style“ umschreiben kann. So würzig und interessant in den unterschiedlichen Geschmacksnuancen. Für solch ein Gericht kann ich hier wirklich jedem nur das vegane Menu empfehlen!

Danach folgt eins meiner absoluten Highlights des Abends:
Die bereits erwähnte, erstklassige Jakobsmuschel ist vermutlich wirklich die beste, die ich je gegessen habe. Aufgeschnitten serviert und im Geschmack noch einmal verstärkt durch die Beurre blanc und das nussige Aroma passt sie perfekt in die kalte Jahreszeit und wärmt das Genießer-Herz.
Ein weiterer Gänsehaut-Moment, der am liebsten nie enden sollte. Ich nenne dieses Gericht ab jetzt einfach nur noch „Jakobimuschel“. ;-)

Als nächstes folgt ein knuspriges „One Biter“ Crustard u.a. mit Mandarine – und ist eigentlich viel zu schade mit nur einem Biss im Mund verschwinden zu lassen. Man sollte es daher zumindest noch ein wenig auf der Zunge zergehen lassen um von dem Vergnügen noch ein bisschen länger etwas zu haben.

Seit Anfang an auf der Karte und schwer zu toppen, wird etwa auf der Hälfte des Abends das Signature Dish Lachsforelle Kimchi serviert.
Die Lachsforelle wird mit einem Jahr fermentiertem Spitzkohlsaft und ordentlich Crunch on top von der Fischhaut serviert. On top ist auch der Geschmack an diesem Abend wieder.

Mit dem bereits oben erwähnten Sherry ist das nicht nur ein wärmendes Gericht zu der Jahreszeit, sondern auch eine einzigartige Kombination, die ihresgleichen sucht.
Der Sherry von 1946 ist fast schon balsamisch und wurde von Sommelier Lucas Wenzl ausgesucht und eingeschüttet.

Diese Gesamtkomposition aus sehr würziger Kimchi-Sauce, süßem Sherry und zartester Lachsforelle mit crunchiger Fischhaut sorgt für den nächsten Gänsehautmoment und ist auch allein schon immer ein Grund das Zwanzig23 zu besuchen.

Schokolade Pilz ist ein etwas gewagter „Geschmacksneutralisierer“ bevor es mit den Fleischgerichten weitergeht. Die Kombination trifft jetzt nicht so ganz meinen Geschmack, heißt aber nicht, dass ich beim nächsten Mal nicht wieder etwas „Verrücktes“ probieren möchte. Und ein anderes gewagtes Experiment auf das ich mich schon den ganzen Abend freue, kommt ja auch erst noch.

Und danach besagtes Top-Wagyu in der „marmoriertesten“ Variante, die es zurzeit in Deutschland laut Jakobi gibt.
Marmorierung ist bekanntlich das intramuskuläre Fett, das das Wagyu Fleisch durchzieht. Und die ausgeprägte Marmorierung vom Wagyu-Fleisch gehört zu den Alleinstellungsmerkmalen von Wagyu und Kobe Rindern. Gerade das Fett sorgt dabei für zarteres Fleisch, Saftigkeit und verleiht dem Wagyu auch den besonderen Geschmack.
Wie beim Würzen bei Jakobi ist hier auch das marmorierte Fleisch am Limit. Das Würzen am Limit ist genau meins, der Fettgehalt beim Fleisch für mich dagegen vielleicht ein klein wenig drüber.
Das liegt aber auch daran, dass ich insgesamt nicht so ein „Fett-Freund“ bin.
Auch wenn zurzeit gerne Speisen wie Schweinebauch (der natürlich nicht mit diesem Gericht vergleichbar ist) oder beim Sushi Chutoro von vielen bevorzugt wird, wähle ich beim Fleisch und Fisch lieber die etwas magereren Varianten.
Maguro statt Chutoro zu bestellen gibt bei meinem Sushi-Lieferanten des Vertrauens in Düsseldorf (einer über 80-jährigen Gastronomie-Legende) immer wieder ein wenig „Ärger“. ;-)
In seiner neuen Ruhe zeigt Jakobi für mich aber auch Verständnis und kann auch nachvollziehen, dass das so stark marmorierte Fleisch nicht für alle das gleiche Vergnügen ist. Auch wenn es andere Gäste sicher lieben werden.
Und ich bin ja heute auch so mehr als genug auf meine Kosten gekommen. – Und der Abend ist ja auch noch nicht vorbei…

Der vegane „rheinische Sauerbraten“ Zwanzig23-Style kommt nur kurz darauf als komplett fettfreie Karotte und lässt nichts zu wünschen übrig. ;-)

Das trifft danach noch vielmehr auf die „Dessert-Armada“ zu mit der mich Lukas Jakobi zum guten Schluss noch einmal richtig verwöhnt.
Ich bin ohnehin ein Dessert-Typ und freue mich deshalb immer am meisten, wenn es einen engagierten und gelungenen Menu-Abschluss gibt.
Dessert-Armada
Und das ist gar kein Ausdruck. Auch hier werden noch einmal sämtliche Zutaten und Geschmacksrichtungen aufgefahren, die man selten in Desserts erwartet oder bekommt. Und die in dieser Kombination zu einem so spannenden, wie leckeren Erlebnis werden.
Es beginnt mit Kürbis und Thaiaromen. Durch die crunchigen Kerne und die fruchtig-säuerlichen Einflüsse vom Kaffernlimetten-Eis und die scharfen Chiliflocken vereint dieses erste Dessert schon viele (Thai-)Aromen und Texturen zwischen warm, kalt, süß, sauer und scharf. So wie ich es besonders gerne mag.

Danach folgt Topinambur mit Haselnuss und ist der schöne winterlich-wärmende Kontrast zu den sommerlichen Thai-Aromen.

Nach Fisch- und Gänsehautmomenten folgt endlich der Hähnchenhaut-Moment
Last but not least… Auf Jakobis drittes „Signature Dish“ muss man lange bis kurz vor Schluss warten. Und allein dafür lohnte sich schon die Rückkehr im Januar.
Nach Fisch- und Gänsehautmomenten folgt zu Guter Letzt endlich der Hähnchenhaut-Moment in einer von Jakobis wildesten Food-Kreationen.
Die Eierlikör-Eiscreme wird mit Hähnchenhaut kombiniert und 2025 auch mit knusprigen Hähnchenhaut-Chips on top garniert.
Während mir vor gut einem Jahr die Vorstellungskraft fehlte, wie oder ob das denn schmecken könnte, war das einer der Hauptgründe für meinen Besuch im Zwanzig23 im Januar 2025.
Diese Kombination ist eine der verrücktesten und besten, die ich bisher in Fine-Dining-Restaurants hatte und die ich auch nur jedem empfehlen kann.
Die Hähnchenhaut-Eierlikör-Eiscreme wärmt im Winter das Gemüt und alle Geschmacksinne - und davon bekomme ich einfach nicht genug.

Zum Abschluss gibt es noch Petit Fours aus Jakobis Lieblingspatisserie, der „Patisserie Jakobi 1994“.
Und so endet ein weiterer Abend im Zwanzig23 mit Knistern auf der Zunge im beseelten Food-Koma.
Text und Fotos © Nils Hohnwald
DÜSCOVER DÜSSELDORF:
Instagram: @duescover_duesseldorf“
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