Douce Steiner - Sulzburg
Douce Steiner - Sulzburg
Von heißen Essenzen und französischen Tugenden.
Im idyllischen Markgräflerland, dem südwestlichsten Zipfel der Bundesrepublik, ticken die Uhren noch etwas anders und mit französischem Akzent.
Sobald man die Autobahn A5 verlässt, führt der Weg durch Weinberge, Wiesen, und beschauliche Ortschaften mit enger, geschwungener Durchfahrt. Erinnerungen an Burgund werden wach. Auch die Rebsorten und das Klima der südlichsten, deutschen Weinbauregion ähneln dieser Region. So findet man hier Pinot Noir (Spätburgunder) mit rund 30% Anbauflächenanteil. An erster, rückläufiger Stelle steht die alte Rebsorte Gutedel.
Es gibt sicherlich viele Gründe für Nostalgiker, Weinliebhaber und Kulinariker hier her zu kommen. Einer könnte das Hotelrestaurant im Hirschen in Sulzburg sein, in dem Deutschlands höchstdekorierte Köchin, Douce Steiner, seit 2008 mit ihrem Mann Udo Weiler den Kochlöffel schwingt.
Die Geschichte des Hotel Hirschen begann bereits im Jahr 1979, als Hans-Paul Steiner, Douce Steiners‘ Vater eine günstige Gelegenheit nutzte, das Haus zu erwerben. Der bereits bekannte Koch hauchte dem Gasthaus die Seele seiner Haute Cuisine ein und servierte seine Gästen seine eigene Interpretation französischer Küche mit Produkten aus dem benachbarten Frankreich. Seine Küchenleistung wurde 1995 mit 2 Michelin Sternen belohnt. 1989 nahm er seine Tochter Douce in die Lehre. Die Wanderjahre führten sie u.a. zu George Blanc*** und Harald Wohlfahrt***, wo sie auch Udo Weiler kennen lernte.
So schließt sich der Kreis und seit 2008 leiten beide die Küche des Hirschen und führten die Familientradition in zweiter Generation fort. Die zwei Michelin Sterne folgten 2012.
Der Gastraum ist einem gleich sympathisch und erinnert eher an ein Wohnzimmer aus vergangenen Jahrzehnten - Bunte Platzteller und Stuhlbezüge vs. grau-beiger Einheitsbrei. Der knarrende Holzboden mit seiner ländlichen Rustikalität kündigt dem Gast den Service im Vorfeld an. Natürlich sprechen die herzlichen Service-Damen mit französischem Akzent. Und apropos Frankreich, mit einer glasweisen Weinbegleitung muss man hier gar nicht kommen. Hier gibt es halbe oder ganze Flaschen und kaum offene Weine - basta! Viel Region und noch mehr Frankreich und ein nachvollziehbarer Ansatz.
Wir wählen das Menü "Douce" in 6 Gängen (€ 169,—). Und beim nächsten Knarren des Bodens geht es auch schon los.
Der kulinarische Teil beginnt mit zwei Grüßen aus der Küche. Während eine, heiße, frittierte Gemüsepraline mit Spinatpüree und etwas fruchtig-herbem Olivenöl zwar makelloses Handwerk attestiert, geschmacklich jedoch eher indifferent ist, hat es die zweite Petitesse in sich.
Hierbei handelt es sich um eine, mit Taschenkrebstartar, Austernschaum und Wasabi-Eis gefüllte, Auster. Das feine, mit leichter Säure zubereitete, Tartar klinkt sich gut in den jodigen Austernschaum ein und das Wasabi-Eis steuert etwas süßliche Schärfe hinzu, was - wohl dosiert - ein sehr schönes, balanciertes Geschmacksbild ergibt. Etwas gerösteter Quinoa und eine kleine Nocke Kaviar ergänzen das Ensemble noch wunderbar. Ein gelungener Start!
Mit einer Entenleberterrine, welche mit Artischocken, reichlich schwarzem Perigord Trüffel, Entenschinken und einer leicht gelierten Entenessenz kombiniert ist, startet das Menü. Das gänzlich kalte Gericht hätte vielleicht etwas Wärme vertragen können, zumindest wirken die normalerweise hocharomatischen Zutaten durch die niedrige Temperatur etwas verschüchtert. Die Grundaromatik stimmt und wird im wesentlichen von der feinen Säure der Artischocken und dem hervorragenden Entenschinken getragen. Der feine Schmelz der Entenleberterrine und hin und wieder etwas Trüffel in der Nase machen das Gericht dennoch kurzweilig.
Ganz anders der nächste Gang. Beinahe lapidar betitelt die Menükarte das nächste Gericht „Bouillon von schwarzen Perigord Trüffeln auf einer leichten Topinambur Creme“.
In Wahrheit befindet sich eine tiefaromatische, nur so vor Kraft strotzende, beinahe kochend heiße Essenz auf einem noch heißeren, fein süßlichen Topinambur-Püree. Die beachtliche Menge an Trüffeleinlage bringt erdige Aromen mit leichter Knoblauchnote und vollendet ein in seiner Simplizität und Wohlgeschmack unschlagbare, perfekt salzige Umami-Bombe auf höchstem Niveau. Da wird es der nächste Gang nicht leicht haben. Aufwühlend sensationell!
Und auch wenn das nächste Gericht deutlich zahmer arrangiert ist, so flacht der Spannungsbogen kaum ab. Hier spielt die Küche nämlich mit komplexerer Aromatik und viel Säure. Eine Tranche konfierter Steinbutt nimmt ein Bad in einer zum Verrücktwerden guten (und wieder sehr heißen) Brühe auf Basis eines Steinbuttfonds, welcher mit Miso, Verbene, Muscheln und Limone vollendet wurde. Hinzu kommen frische Zitronenzesten und fein ausgestochene Gemüseperlen. Eigentlich recht simpel und schlüssig, jedoch voller Finesse und perfekt umgesetzt.
Eine getrüffelte Perlhuhnbrust à la Surf’n Turf wird als Hauptgang serviert. Auch hier wird mit starken Aromen und Gaumenschmeichelei keinesfalls gegeizt. Eine knackige Riesengarnele, weich gekochte, ganze Wachteleier, etwas krause Glucke (ein fransiger Pilz) und eine tiefaromatische Essenz vom Perlhuhn umschmeicheln, die, mit Trüffelscheiben gespickte, Brust. Auch die gerne gewählte Zutat "Hitze" spielt wieder eine nicht zu unterschätzende Rolle. Das erstklassige Handwerk mit viel Umami, und präzisen Garpunkten - trotz heißer Essenz - machen auch diesen Teller magisch. Mehr Wohlgeschmack ist kaum möglich!
Ganz nach dem Motto „mit Crème Brûlée macht man nie etwas falsch“, beginnt der süße Teil des Menüs mit einer solchen - als kleine Miniatur. Sie dient als Podest für ein Zimtblüteneis. Beides sensationell gut gelungen. Rechts daneben: Die herbstliche Kombination aus Apfel, Birne und Quitte in etwas moderner Interpretation. Eine gelierte Creme von grünem Apfel wird von feinen Sorbets von Quitte und Birne begleitet. Feine Apfelchips und ein feiner Zimt-Keks vollenden ein herrlich fruchtiges säuerlich süßes Winterdessert. Große Klasse!
Das nächste Dessert wird in einer Tasse serviert und besteht aus der interessanten und sicherlich eher ungewöhnlicheren Kombination aus Kiwi und Vanille. Alles richtig gemacht. Ein wunderbares Vanilleeis befindet sich auf einem grünen Kiwipüree mit feinen Stücken. Darüber etwas Vanilleschaum und fertig. Simplizität, Wohlgeschmack und schlichtweg, perfektes Handwerk.
Exzellente und abwechslungsreiche Friandises schließen ein durchweg sensationelles Menü ab, welches nur so vor Umami und Hitze strotzte. Udo Weiler holt sich persönlich das Feedback am Ausgang ab und was soll man sagen? Einen Umweg übers Markgräflerland ist das Essen bei Familie Steiner in jedem Fall wert. Eine Rückkehr steht außer Frage.
FAZIT:
Douce Steiner und ihr Ehemann Udo Weiler kochen in Sulzburg mit Herz, Hitze und absolutem Wohlgeschmack und mit ganz klarem geographischen Bekenntnis zu Frankreich. Eine Küche, welche man nur noch viel zu selten in dieser Perfektion in Deutschland bewundern kann. Ein Schlaraffenland in charmant schrulligem Ambiente - worauf wartet ihr?
Text, Fotos © les-etoiles.de