Das Deutsche Archiv der Kulinarik und was es damit auf sich hat.
Das Deutsche Archiv der Kulinarik und was es damit auf sich hat.
Vor sechs Jahren, welch lange Zeit, waren wir zuletzt im Restaurant Bareiss. Um diesen beklagenswerten Umstand vergessen zu machen planten wir eine Reise nach Baiersbronn für Oktober. In der Woche unseres Besuches fand in Dresden ein Ereignis statt, das Freude und Zufriedenheit, ja vielleicht auch ein bisschen Stolz nach Mitteltal brachte. Doch der Anfang dieser Geschichte reicht 400 Jahre zurück.
In Dresden gibt es seit langer Zeit besondere Traditionen der Kochkunst und der Esskultur. Sie spiegelt sich in der Tafelkultur des Dresdner Hofes und seines Umfeldes wider, aber auch in den bedeutsamen Publikationen zur Gastrosophie. Um diese gastrosophische Literatur, bestehend aus vielen Handschriften, Büchern und Zeitschriften sowie Menükarten, Gebrauchsgrafiken, Fotografien und vieles mehr aufzubewahren und Forschern und kulinarisch interessierten zugänglich zu machen haben die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB Dresden) und die Technische Universität Dresden (TUD) am 10. Oktober 2022 das Deutsche Archiv der Kulinarik an der SLUB Dresden gegründet.
Natürlich konnte es nicht bei einer Rückschau auf die Vergangenheit bleiben. Welche bedeutende Entwicklungen hat die Gegenwart vorzuweisen? Wie kann man flüchtige kulinarische Eindrücke konservieren und der Nachwelt vermitteln?
Jürgen Dollase überreicht Claus-Peter Lumpp ein Exemplar der Geschmacksdokumentation zum Lamm von der Älbler Wacholderheide. Foto: Crispin-Iven Mokry
Ich zitiere aus der Pressemeldung der SLUB und TU Dresden vom 24. Oktober 2023:
„Um ein kulinarisches Gedächtnis der Zeit von 1970 bis zur Gegenwart aufzubauen, haben die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden und die Technische Universität Dresden gemeinsam mit dem Gastronomiekritiker Jürgen Dollase eine bisher einzigartige Reihe von Geschmacksdokumentationen ins Leben gerufen.“
Die ersten fünf Dokumentationen von Jürgen Dollase waren also der Startschuss für das kulinarische Gedächtnis ab 1970. Dazu zählen:
- Details und Hintergründe zu 76 Rezepten des Buches „JAN“ von Jan Hartwig***, Restaurant JAN, München.
- Bretonische Rotbarbe auf Holzkohle gegrillt, dazu Champagner-Fenchel-Sauce und Zitronen-Gel nach Mojito-Art, Couscous-Hirse mit Orangenblütenwasser, Meerrettich-Crème und Bottarga von Meeräsche, Langustinen-Mousse, Sizilianische Caponata, Parmesan-Chip, Polenta und Ricotta, Cidre und Forellenkaviar
von Eric Menchon**, Le Moissonnier, Köln.
- „Seezunge Müllerin“-Art von Michael Sauter, Fischereihafen Restaurant, Hamburg.
Und nun kommen wir endlich zum Kern meines Berichtes, denn das Hotel Bareiss war gleich zweimal mit Geschmacksdokumentationen vertreten, nämlich mit
- gefüllte Kalbsbrust „Badische Art“, Wurzelgemüse, Kalbsrahmsauce, von Oliver Steffensky, Küchendirektor im Hotel Bareiss, Baiersbronn.
und
- Lamm von der Älbler Wacholderheide in drei Zubereitungen von Claus-Peter Lumpp***, Restaurant Bareiss im Hotel Bareiss.
Wenn das mal kein Grund zum Feiern war.
Geschmacksdokumentation Claus-Peter Lumpp, Foto: Crispin-Iven Mokry
Nun hatte ich die Gelegenheit, anlässlich unseres Besuches in Baiersbronn ein umfangreiches Interview mit Herrn Lumpp und Herrn Leitner zu führen und habe dabei natürlich auch das Archiv der Kulinarik thematisiert. Dieses Interview wird demnächst an gleicher Stelle veröffentlicht. Zwei Fragen daraus möchte ich bereits hier abbilden.
***
Bernhard Steinmann (B.St.): Herr Lumpp, Sie hatten kürzlich einen Termin bei dem es um das Deutsche Archiv der Kulinarik ging.
Claus-Peter Lumpp (C.-P. L.): Ja, das wurde eröffnet und die ersten Publikationen wurden von Herrn Dollase vorgestellt, der das Ganze in Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Dr. Matzerath (TU Dresden) und der Akademie initiiert hat.
Ich finde, es ist eine besondere Ehre, dass wir aus dem Hotel Bareiss für die erste Präsentation ausgewählt wurden. Das betrifft sowohl unseren Küchendirektor Oliver Steffensky mit der gefüllten Kalbsbrust „Badische Art“, Wurzelgemüse und Kalbsrahmsauce sowie mein Lamm von der Älbler Wacholderheide in drei Zubereitungen. Herr Dollase hat das bei uns aufgenommen, ausführlich beschrieben, analysiert und bei dieser Veranstaltung vorgestellt. Das macht uns unheimlich stolz und ist letztlich überaus bemerkenswert, dass wir mit zwei Gerichten dabei sind, einmal das Hotel und einmal das Restaurant Bareiss.
Lassen Sie mich daher diese Gelegenheit nutzen noch einmal meinen persönlichen Dank an Jürgen Dollase und die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) Dresden und die Technische Universität Dresden auszudrücken.
B.St.: Es wird in diesem Projekt die Kulinarik von 1970 bis zur Gegenwart ausgearbeitet. Dazu muss man wissen, dass das Projekt letztlich bis zu 400 Jahre zurückreicht. Das führt unweigerlich zur Frage, wie Sie selbst die Entwicklung in der Gastronomie allgemein einschätzen.
C.-P. L.: Ich sehe die Situation der Gastronomie sehr positiv im Vergleich zur Zeit vor etwa 40 oder 50 Jahren. Es gibt sehr viele junge und engagierte Köche. Es gibt sehr viele Traditionsbetriebe. Klar ist aber auch, dass die Corona-Krise für viele eine schwere Durststrecke bedeutet hat. Dennoch ist die Qualität der Küchen über die Jahre stetig gewachsen.
Wir haben sehr viele gute Restaurants in Deutschland bei denen die jungen Köche viel lernen und mitnehmen können. Da sind nicht nur die Drei-Sterne-Restaurants sondern auch noch eine Menge anderer Kollegen bei denen sich der Nachwuchs gut entwickeln konnte und kann.
Die Basis meiner Küche ist die große französische Küche, die ich modern und zeitgenössisch mit meinem Team umsetze, eben mit meiner Handschrift. Wir entwickeln unsere Gerichte nach dem Geschmack, und danach die Präsentation. Und nicht anders herum.
***
Den weiteren Dokumentationen von Jürgen Dollase sehe ich mit Freuden entgegnen. Es wird mit Sicherheit eine sehr bedeutsame Sammlung für alle kulinarisch Interessierten. So mancher Küchenchef wird auch nach seiner aktiven Zeit in Erinnerung bleiben, seine Kreationen werden die Zeit überdauern.
Sicher träumen viele Köche von solch einem Erfolg und Ruhm.
All denen möchte ich ein Zitat von Howard Carpendale mit auf den Weg geben:
„Über Nacht wird man nur dann berühmt, wenn man tagsüber hart gearbeitet hat.“
www.bsteinmann-gourmet-unterwegs.de
Instagram: @gourmet_unterwegs