Bei Clemens Rambichler im Waldhotel Sonnora.
Bei Clemens Rambichler im Waldhotel Sonnora.
Im siebten kulinarischen Himmel.
Wir nehmen es heute (ausnahmsweise) einmal vorweg. Im Waldhotel Sonnora hatten wir das beste Menü im letzten Jahr, eventuell der letzten Jahre. Dieser Umstand ist vor allem einem Attribut geschuldet: Der hauseigenen Interpretation von Perfektion.
In der idyllischer Umgebung der Eifel-Region, unweit der Mosel, umgeben von Mischwäldern befindet sich bekanntlich einer der Wallfahrtsorte für Kulinariker und Hedonisten in der Bundesrepublik – genauer ausgedrückt in einer Teilgemeinde von Wittlich namens Dreis. Wobei jeder Essbegeisterte sofort weiß, was gemeint ist.
Spitzenkoch & Hotelier Helmut Thieltges hat diesen magischen Ort gemeinsam mit seiner Frau Ulrike ab 1978 erschaffen und zu einer der großartigsten kulinarischen Adressen des Landes gemacht. Seine Küche wurde seit 1999 mit 3 MICHELIN-Sternen und Höchstbewertungen in allen anderen Restaurantführern bewertet. Dabei gab er sich immer bescheiden, mied öffentliche Auftritte und konzentrierte sich auf seine besonders produktfokussierte klassisch französische Küche mit dem Credo „Klassik ist die wahre Kunst. Das ist die Basis von allem. Modern kann sich jeder nennen, der mit Gewalt was anderes machen will.“ Bekanntlich starb Thieltges 2017 viel zu früh und für die Öffentlichkeit recht überraschend mit nur 61 Jahren.
Gegenwart und Zukunft des Hauses liegen (auch unternehmerisch) in den Händen von Clemens Rambichler und seiner Lebenspartnerin Magdalena Brandstätter, Sommelière, welche mittlerweile die Eigentümer des Waldhotels nebst Gourmetrestaurants geworden sind. Rambichler ist gebürtiger Bayer und kochte bereits seit 2011 an Helmut Thieltges Seite, mehrere Jahre davon als Sous-Chef. Nach dieser beachtenswert langen, gemeinsamen Zeit und der starken Identifikation mit der DNA des Hauses war dies sicher eine schlüssige Entscheidung, zumal Magdalene Brandstätter ebenfalls schon seit über 10 Jahren im Haus ist.
Im Frühjahr 2021 wurde das Haus einer umfassenden Verjüngungskur unterzogen. Sowohl die Küche, als auch der Gastraum und einige Hotelzimmer wurden rundum erneuert und stilvoll in die moderne Gegenwart befördert. Die neue Optik steht dem Waldhotel hervorragend zu Gesicht und zeigt gleichzeitig, wie ernst es der jungen Unternehmerfamilie ist, hier in ein neues, erfolgreiches Kapitel aufzuschlagen.
Der Erfolg der letzten Jahre und die erfolgreiche Bestätigung der 3 MICHELIN-Sterne durch Clemens Rambichler und Team lässt auch keine Zweifel hieran aufkommen.
Clemens Rambichlers neue Küche und Wirkungsstätte erstrahlt im Edelstahl und Arbeitsflächen aus dunklem Granit. Das Herzstück, der Herdblock, funktioniert jetzt mit Induktion, statt - wie in der Vergangenheit - mit Gas. Rambichler wählte den gleichen Küchenbauer wie Thieltges vor über 30 Jahren. Seine Küche verbraucht mittels modernster Wärmerückgewinnung und einem effizienteren Zu- und Abluftsystem rund 50% weniger Energie. Ein tolles Sinnbild für den modernen, unternehmerischen Ansatz und eine respektvolle Reminiszenz an die Tradition des Hauses.
Der modernisierte Gastraum strotzt nur so vor eleganter Extravaganz. Die Farbpalette besteht im Wesentlichen aus schlichten Grautönen und edlen Goldakzenten, u.a. über schicke Palisaden, welche den Gastraum geschmackvoll und schlicht in Teilbereiche aufteilen. Das früher dominierende Farbelement rubin- bzw. royalrot wird über geschmackvolle Bilder leicht angedeutet, dient jedoch eher dazu etwaige Monotonie der holzgetäfelten Wand aufzubrechen, was exzellent gelingt. Aufwendige Kronleuchter, ein ausgefeiltes Beleuchtungskonzept mit viel Tageslicht an diesem Mittag tun ein Übriges, dass wir uns direkt pudelwohl fühlen.
Der enorm aufmerksame und professionelle Service huscht bereits um uns herum und das Einchecken verläuft so angenehm, wie man es selten erlebt.
Beinahe zeitgleich zum Servieren des Aperitifs Winzersekt Bosch Riesling erreicht uns bereits die erste Petitesse aus der Küche. Eine Schwertmuschelhälfte mit akkurat geschnittenen Muschelstücken, abgerundet mit einer Orangen-Zitrus-Vinaigrette und etwas Blumenkohlcreme.
Die Präsentation in der Muschelschale verleitet sofort dazu, den Löffel einmal durchzuziehen. Die Geschmackswelt ist umwerfend. Es entsteht eine eindrucksvolle Harmonie zwischen der Meeresbrise des festen, feinen Muschelfleischs, Säure, Süße und der perfekt kühlen Temperierung, dass man erst einmal ungläubig die Augenbrauen heben muss. Schon jetzt sind wir angekommen. Bitte mehr davon.
Die Küche entspricht dem stillen Wunsch direkt und serviert eine Crème Vichyssoise, welche mit einer gelierten Ochsenschwanz-Essenz und einer großzügigen Nocke Imperial Kaviar napiert wurde. Ebenfalls himmlisch austariert, schön salzig und mit feiner Kartoffel-Lauch-Note der Vichyssoise und sattem Umami Boost. Eine weitere Klasse für sich.
Der finale Küchengruß ist dann gleich eine Trilogie, bestehend aus drei kleinen, herausragenden, kulinarischen Meisterwerken. Schon die Gillardeau Auster No. 2 mit Gurke, Chardonnay-Essig-Vinaigrette und Imperial Kaviar besticht durch eine schlichtweg perfekte Inszenierung und Balance aus frischer Gurke, eleganter Säure, jodigem Austernfleisch und nussigem Kaviar. Auf Augenhöhe und rechts daneben befindet sich eine perfekt gebeizte Tranche Label Rouge Lachs mit asiatischem Aromenkostüm aus Ingwer, Limetten-Zeste, Radieschen und einem sensationellen Wasabi-Eis. Auf der rechten Seite findet sich dann noch eine Kreation aus gezupftem Taschenkrebs in einem kühlen Apfel-Minz Süppchen - hochelegant. Schon jetzt hat sich die Reise hier her gelohnt.
Das Menü startet offiziell bereits auf schwindelerregendem Niveau, salopp ausgedrückt, mit einer Gänseleber Waldorf-Style. Hierzu kombiniert Rambichler zu einer - in Perfektion (in Eiswein) marinierten - Tranche Gänseleber-Terrine virtuos und mit klarer Akzentuierung Apfel, Sellerie und Walnüsse. Die Terrine mit perfektem Schmelz ist bereits auf Weltklasse-Niveau und hätte für sich bereits ungläubiges Kopfschütteln am Tisch erzeugt.
Blumiger Muskateller, nussiges Walnussöl, fruchtiger Apfel und die leichten Anis-Noten des Selleries erschaffen noch eine zusätzliche Dimension und bieten der Leber einen zum Verrücktwerden tollen Aromen-Teppich. Der Oscar für den besten Nebendarsteller geht dabei an das sensationelle Staudensellerie-Eis, welches mit seiner Kühle wunderbar leichtfüßig den Gaumen belebt. Schwer vorstellbar, dass das besser geht!
Das bekannteste Stück Kuchen der Republik ist natürlich absolutes Pflichtprogramm. Das warme, knusprige Rösti, das kühle, frische Tartar, eine wunderbar üppige Creme Fraiche mit feinen Schalotten-Würfeln und on top eine großzügig Lage Imperial Kaviar sind eine Traumkombination, für welche man überhaupt keinen kulinarischen Intellekt benötigt. Vier unterschiedliche Texturen, verschiedene Temperaturen, welche im Mund zu einer perfekten Mélange mit perfekt dossiertem Salz-Level führen und einen schlichtweg in unkompliziertem Wohlgeschmack schwelgen lassen. Grandiose Küche kann soooo einfach sein. Diese Kreation aus der Feder Helmut Thieltges ist zurecht einer der zeitlosesten und wohlschmeckendsten Klassiker seit mehreren Jahrzehnten. Himmlisch!
Ein wunderschönes Exemplar einer bretonischen Langoustine erfreut uns im nächsten Gang. Das perfekt zubereitete Krustentier badet in einer himmlisch schaumigen Limonen-Butter-Sauce, welche laut Karte aus Beurre Bordier zubereitet wurde. Knackige, sorgfältig ausgewählte Kopfsalatblätter unterstreichen ihre Frische mit ihrem knackigem Biss und leichter Bitterkeit. Perfekt gereifte Flugmango gibt der Kreation mit ihrer süßlich-duftenden Note noch den letzten Kick und demonstriert eindrucksvoll, dass man die Grenzen bei diesem Gericht nicht in der Bretagne belässt. Erneut absolute Weltklasse.
Auch die Dramaturgie im Menü beherrscht die Küche perfekt und packt nach diesem anregenden, fruchtig-frischen Krustentier-Gericht wieder richtig zu. Im Moment als die Tellerglocke am Tisch gehoben wird, strömt dem Gast ein wunderbar nussig-erdiger und fleischiger Duft nach Trüffeln, feinen Waldpilzen und sautiertem Kalbsbries in die Nase. Präziser formuliert handelt es sich hierbei um ein Sauté vom Kalbsbries, mit schwarzen Trüffeln, schaumiger Vin Jaune-Sauce, bildhübschen Pfifferlingen, Kalbsjus und (kongenial) einer Petersilienjus. Im Mund ergibt sich erneut und ein unwirklich perfektes Geschmacksbild, was auf der einen Seite schaumig-süffig intensiv daher kommt und auf der anderen Seite die ätherische Petersilie, welche der Üppigkeit hochelegant Einhalt gebietet. Ein kulinarischer Waldspaziergang mit Suchtpotenzial.
Nach der Aromenwucht wird es wieder leichtfüßig elegant. Eine schneeweiße Tranche bretonischer Steinbutt wird mit einer spektakulär rot leuchteten Scheibe Wassermelone bedeckt, welche mit Olivenöl, schwarzem Pfeffer und Tomatenessenz lackiert wurde. Das ganze thront auf einer herrlich fruchtig-buttrigen Strauchtomaten-Fumet, welche auf ein Beet aus feinen Tomaten- und Wassermelonen-Brunoise und etwas herben, ätherischem Basilikum-Öl mit feiner Schärfe im Tellergrund nappiert wurde. Das Ganze schmeckt derart sensationell und strotzt vor fruchtigem Umami, dass man nur ungläubig den Kopf schütteln kann. Die Großartigkeit dieses Gerichts findet sich vor allem in dessen simplen Ansatz und der Perfektion bis ins kleinste Detail. Magisch!
Beim Hauptgang bekommen wir es dann mit einem Rehrücken aus Eifler Jagd zu tun. Das perfekt gegarte und enorm zarte Fleisch wurde mit einer feinen Pistazienkruste versehen, welche neben ihrer Nussigkeit auch filigrane Röstnoten zufügt. Untermalt wird dieses Duett von einer wunderbarem Kumquat-Wacholder-Jus welcher wieder alle Register zieht und bemerkenswert - trotz enormer Dichte - sehr filigran und leicht wirkt. Der Einsatz von säuerlich-herber Kumquat erzeugt eine wunderbar elegante Note, welche die zugrundeliegende Konventionalität schön auflockert. Ein gefülltes Polenta-Klößchen und etwas Rosenkohl sind ebenfalls klassisch stimmig und klinken sich harmonisch in den wunderschönen Aromenhorizont ein. Irrsinnig gut das Ganze!
Für das erste Dessert wählt die Küche den klassischen Dreiklang aus Himbeere - Estragon und weißer Schokolade, welchem wir bereits häufiger begegnet sind. Allerdings (auch hier) nicht in derartiger Perfektion, was das Gericht von allem bisher dagewesenen elegant abkoppelt. Schon allein die Qualität der verwendeten Himbeeren und die exakte, dennoch intensive Dosierung des Estragons mit kühlem Joghurt und zartschmelzender weißer Schokolade ("Ivoire") ist schon wieder eine Sensation.
Malerisch schön und exotisch wird es auch beim zweiten Dessert, welches auf zwei Tellern serviert wird. Zum einen ein perfekt zubereitetes, klassisches Topfen-Soufflé, welches mit exotischer Entourage aus Ananas, Mango, Kokosnuss und einem kreolischen Gewürzsud serviert wird. Zum anderen eine halbierte Kokosnuss wie aus dem Bilderbuch mit luftigem Pina-Colada Schaum, erfrischenden Limettenzesten und fruchtigen (unfassbar guten) Mangostückchen. Wunschlos glücklich gleitet man emotional in diese unwirklich schöne Exotikwelt ab. Am Tisch wird kein Wort gesprochen, man möchte ja schließlich dieses Gefühl so lange wie möglich in sich konservieren. Berührend und aufwühlend grandios.
Die am Schluss gereichten, variantenreichen Petits Fours sind genauso perfekt wie das ganze Menü und beenden ein Mittagessen, wie wir es nur selten in vergleichbarer Perfektion erlebt haben. Jede einzelne Zutat wirkte akribisch selektiert – vom perfekten Salatblatt bis hin zum seidig schimmernden Steinbutt aus La Rochelle. Unsere Beschwingtheit und Beseeltheit nach diesem Essen – ohne jegliche Bettschwere – schwingt noch den ganzen Tag nach. Im Radio läuft gerade zufällig der Song Besser aus dem neu erschienen Die Ärzte-Album mit den Zeilen „Was es bedeutet, wenn ich sag' Dass Perfektion nicht nur ein Wort ist Sondern mein Ziel für jeden Tag“. Besser hätte man es an dieser Stelle nicht treffen können. Auf ein baldiges Wiedersehen!
Alkoholische Getränkebegleitung
Das Küchenteam
Das Serviceteam
Fazit
Keine Kompromisse, Herzblut, Respekt und das Streben nach Perfektion sind die Säulen von Rambichlers' phänomenaler Küche, welche sich nur mit Superlativen beschreiben lässt, und für die kein Weg zu weit ist.
Waldhotel Sonnora
Auf dem Eichelfeld 1
54518 Dreis
(0 65 78) 9 82 20
www.hotel-sonnora.de
Text, Fotos © les-etoiles.de
auf Instagram zu erreichen unter: @les.etoiles_blog