Bei Leon Hofmockel im La Societé in Köln
Bei Leon Hofmockel im La Societé in Köln
In diese Küche gehört ein zuverlässiger Akkuschrauber.
Dunkelgrüne Fliesen im Fischgrätmuster hinter einer stilvoll beleuchteten Bar, grüne Samtstühle und messingfarbene Leuchten im Stil des Art Déco. Das La Société wurde so renoviert, dass der Spagat aus zeitloser Gemütlichkeit und Hipsterdesign mühelos gelingt und sich ein Publikum vom Fine-Dining-unerfahrenen jungen Pärchen bis hin zum welterfahrenen Gourmet hier wohlfühlt.
Wenn es dieses Wörtchen „Wohlfühlen“ in der deutschen Sprache noch nicht gäbe, dann wäre es extra für diesen Artikel zu erfinden, denn auch Service und Küche dieses Kölner Kleinods lassen sich damit treffgenau beschreiben. Man merkt dem gesamten Team einfach an, dass es hier gerne arbeitet und mit Spaß und Begeisterung dabei ist. Hier wird jeder Gast mit gleicher Aufmerksamkeit durch den Abend begleitet und mindestens einmal von Leon Hofmockel persönlich bedient, dass ist ihm wichtig. Es ist dem Küchenchef wichtig einen wertschätzenden Führungsstil auf Augenhöhe zu pflegen, was in der Gastronomie leider immer noch keine Selbstverständlichkeit ist, aber selbstverständlich für uns eine weitere Gelegenheit den Begriff „Wohlfühlen“ auch in diesem Kontext anzubringen. Bleibt zu hoffen, dass viele weitere Gastronomen dem Beispiel Hofmockels folgen. Allzu oft herrscht in der Küchenwelt nämlich noch ein Männlichkeitsideal vor, bei dem Küche mit Krieg verwechselt wird. Köche, die sich gegenseitig dazu gratulieren, welche Erniedrigung sie überstanden haben oder wen sie mit Pfannen beworfen haben, sind leider auch heute noch keine Seltenheit.
Mangels einer passenden Überleitung verzichten wir auf eine solche und widmen uns nun dem Stil des frischgebackenen Sternekochs. Geprägt wurde der gebürtige Augsburger durch jede seiner bisherigen Stationen. Aus der Ausbildung im Königshof by Geisel in München unter Martin Fauster stammt der Sinn für eine im positiven Sinne einfache und ehrliche Aromatik, die durch die zweijährige Station in Johannes Kings Söl’ring Hof auf Sylt durch nordische Elemente erweitert wurde. Am prägendsten dürfte aber sicherlich die Zeit im Aqua unter Sven Elverfeld gewesen sein, in der er sich innerhalb von nur zwei Jahren bis zum Sous-Chef hochkochte. Ausdrucksstarke Aromen sind ihm genauso wichtig wie eine Balance aus Würzigkeit und Säure, aus Wohlfühlküche und frischer Eleganz.
Die Großartigkeit der Kleinteiligkeit seiner Teller wird gleich im ersten Gang des 8 Gänge umfassenden Menüs deutlich. Beim einem der Desserts verheddert sich das Küchenteam allerdings auch ein wenig in den vielen unterschiedlichen Komponenten, aber das sind, da sind wir uns sicher, nur Kinderkrankheiten einer großartigen Küche, von der man in den nächsten Jahren noch viel hören wird. Jedenfalls sehen wir Leon Hofmockel schon mit dem Akkuschrauber vor der Tür stehen, wie er die rote Plakette vor dem Restaurant durch eine um einen Stern erweiterte Version ersetzt.
Schon zu Beginn des Menüs zeigt Leon Hofmockel, dass er ein Händchen fürs Anrichten hat. Gemütliche Pommes-Souflé-Kissen mit Speckcreme und Schnittlauchmayo treffen auf erfrischend-säuerliche Rote-Bete-Päckchen mit Ziegenfrischkäse, die den Mund im Wortsinne amüsieren.
Spätestens bei dem im Schälchen separat servierten Amuse wird dann vollends klar, dass hier ein Koch am Werk ist, der nicht nur nach der simplen Erfolgsformel Fett + Umami = Geschmack, sondern auch mit Frische und Säure arbeitet. Gerade zu Beginn eines Menüs ein smarter Move. Auf einem Brotchip arrangieren sich wie von selbst die mit Waldpilzcreme gefüllten Rettichröschen zu einem Gesamtkunstwerk. Verfeinert wird dies durch eine Waldpilzvinaigrette mit Pinienkernen. So darf es gerne weitergehen!
8 ½ /10
Ob das Brot im Menü einer Erwähnung würdig ist, scheidet die kulinarischen Geister. Ich meine schon, denn das Team des La Societé hat hier in exzellenter Qualität gebacken. Zu köstlichem Sauerteigbrot und Focaccia gesellt sich ein fantastisches Knäckebrot mit vielen Saaten, dem es an (guten!) Röststoffen nicht fehlt. Dazu Butter mit Kräutersalz und Creme-Fraîche mit Kräutern, von denen Schnittlauch und Estragon besonders hervortreten.
9/10
Der Gruß aus der Küche kann nicht ganz mit den Amuse Bouche mithalten, ist aber dennoch sehr gut gekocht. Ein Stück eines warm geräucherten Oktopusärmchens fügt sich hierzu mit einem Gemüseragout, Pimento-Paprika-Creme, Pil-Pil-Soße und Kräuter-Chili-Mayo zu einem schmackhaften Wohlfühlhappen zusammen.
7/10
Der erste Gang mit rohem Hamachi ist wunderbar ausbalanciert und komplex. Jeder Bissen schmeckt anders, aber immer hervorragend. Knackig-saure Röllchen aus Rettich, grünem Apfel und Minze kontern die umami- und fettreiche Austernemulsion, leicht scharfer Meerrettichschaum und kleine knusprige Chips das fest-cremige Fleisch des Fisches. Abgerundet wird das Gericht durch Korianderöl und Kresse. Wer jetzt schon ins Schwärmen gerät, dem sei verraten, dass sich unter Meerrettich-Haube noch eine Überraschung versteckt: Ein Tatar mit Sesamkörnchen, Schnittlauch und etwas Korianderemulsion. Das ist Küche auf Dreisterneniveau, Chapeau!
10/10
Im zweiten Gang verliert der Taschenkrebs als Salat leider knapp seinen Kampf gegen die kräftige Gänselebercreme, die sich unter marinierter Oxaliswurzel verbirgt. Etwas Pomelo, roter Rettich und verschiedene Kräuter frischen das Gericht schön auf, die Krustentiervinaigrette mit Korianderöl ist wundervoll würzig. Ein schöner Gang, der aber das Schicksal hat, direkt nach dem strahlenden Einstieg etwas im Schatten zu stehen.
8/10
Dem isländischen Kabeljau des nächsten Ganges hat Hofmockel mit Wakame-Puder und Rosa Pfeffer zusätzlich Jodigkeit und eine leichte Schärfe verpasst. Avocado in groben Stücken zu servieren, scheint auf den ersten Blick etwas plump, erweist sich aber als genau richtig, denn so dient er als zusätzliche Textur und bekommt mehr Länge. Der sich an den Fisch schmiegende Senfkohl bringt Knackigkeit und Frische. Bemerkenswert sukkulente Stabmuscheln platzen förmlich im Mund und lockern zusammen mit Schnittlauch und Saiblingscaviar die cremig-würzige Vin-Jaune-Soße auf. Ein Chip, Yuzugel und Avocado-Estragongel fügen weitere Dimensionen hinzu. Wieder ein komplexer und ausbalancierter Gang! Großartig!
9/10
Die an der Karkasse gegarte Wachtelbrust ist dermaßen „juicy“, dass man vor Hofmockels technischen Küchenfertigkeiten nur den Hut ziehen kann. Dazu kombiniert er Möhren in verschiedenen Texturen und eine selbst hergestellte XO-Soße, die er uns freundlicherweise sogar aus der Küche holt und pur probieren lässt. Die Würzigkeit der aromatischen Jus und der gerösteten Sonnenblumenkerne kontert er geschickt durch einen Kräutersalat und säuerlich marinierte, frische Möhren. Dazwischen versteckt sich noch ein junger Lauch, der vermutlich etwas kräftiger daherkommen würde, hätte er in seinem Leben auch solche fantastischen Gerichte serviert bekommen.
9/10
Der nächste Gang mit wunderbar karamellisiertem Kalbsbries, geschmortem Puntarelle, schwarzem Wintertrüffel, Piemonteser Haselnüssen, rohen Champignons und knusprigen Croutons bietet die passende Gelegenheit erneut auf den Begriff „Wohlfühlen“ zurückzukommen, diesmal in der Variante „Wohlfühlessen“. Allerdings wird mir die „Schlotzigkeit“ dieses Tellers an dieser Stelle des Menüs etwas zu viel. Geschmackssache!
7/10
Dass ich ein gut zubereitetes Gemüse in der Regel einem Stück Wagyu vorziehen würde, ist kein Geheimnis. Es gelingt Leon Hofmockel hier aber, das fettdurchzogene Roastbeef vom Kagoshima Wagyu durch knusprige Topinamburchips, Sojazwiebeln, Schwarzen Knoblauch, ein Ragout von Shitakepilzen mit geräucherter Sojasoße und Brunnenkresse gut auszubalancieren. Der Zufall will es, dass mir einige Tage vorher bereits eine Kombination aus Wagyu und Zwiebeln serviert wurde, die mir bei weitem nicht so gut gefiel. Dennoch wird es wohl nicht mehr mein Lieblingsfleisch werden.
7 ½ /10
Dem ersten Dessert von Patissier Thomas Planberger ist der Ehrgeiz anzumerken, ein möglichst komplexes Gesamtbild zu erzeugen, doch wer alle Farben zusammenrührt, der erhält keinen Regenbogen, sondern Grau-Braun-Beige. Ein bisschen ist es hier auch so, denn hier sind für meinen Geschmack viel zu viele unterschiedliche Aromen auf dem Teller, die da wären: 1. Blutorangensorbet, 2.Zitrussud mit Sternanis und Piment, 3. Haselnusscreme, 4. Haselnüsse, 5. Gel von der schwarzen Zitrone, 6. Pulver von der schwarzen Zitrone, 7. Manjari-Schokolade, 8. Grapefruit, 9. Fenchelragout, 10. Fenchelgrün. Hätte man die Schokolade weggelassen und die Grapefruit durch Blutorange ersetzt, dann wäre die Essenz dieses Desserts deutlich klarer hervorgetreten. Dennoch wahrlich kein schlechter Gang.
6/10
Das zweite Dessert von Thomas Planberger ist jedoch Weltklasse! Die Mächtigkeit der Macadamiacreme wird durch die zu Recht sehr groß dimensionierte Nocke an Nashi-Birnen-Sorbet und den nicht zu süßen Jasminteesud ausbalanciert. Zauberhaft ist auch das Konfetti aus grünem Shiso, dass in dem Sud fröhlich herumplantscht. Einige Stücke geröstete Macadamianuss und Nashibirne bringen noch eine andere Textur und Länge. Ich sage das selten, aber hiervon hätte ich noch eine zweite Portion geschafft!
10/10
Zum Abschluss wird eine etwas mächtige Kaffeeschnitte gereicht, die die darauf abgelegten Johannisbeeren nicht ausreichend kontern können. Die Pralinen mit Dulche de Leche sind gut gemacht, aber für meinen Geschmack ebenfalls etwas zu süß. Die Choux au Craquelin mit Baileys hingegen sind himmlisch weich und lecker! Ein schöner Abschluss eines großartigen Menüs!
7/10
Fazit: Die Küche von Küchenchef Leon Hofmockel und Patissier Thomas Planberger weiß bereits wenige Monate nach der Eröffnung auf ganzer Linie zu überzeugen. Zusammen mit der Wohlfühl-Atmosphäre (ein letztes Mal sei mir das Wort erlaubt) ein Kandidat für Stammlokal und Sternetempel gleichermaßen!