Bei Daniel Schimkowitsch im L.A. Jordan
Bei Daniel Schimkowitsch im L.A. Jordan
Über einen kulinarischen Abend in Deidesheim.
Wer als Weinbegeisterter durch das wunderschöne Pfälzer Städtchen Deidesheim flaniert, der wird aus dem Staunen nicht herauskommen. Kaum hat man sich über den Schriftzug „Bassermann-Jordan“ gefreut, läuft man am Weingut „Reichsrat von Buhl“ vorbei, um schließlich bei „von Winning“ einen scheuen Blick von außen in das Weingut zu werfen. Alle drei Edelweingüter gehören zur gleichen Unternehmensgruppe wie auch das Hotel „Ketschauer Hof“, in welchem sich das Restaurant L.A. Jordan befindet. Sommelier Stephan Nitzsche hat daher bei der Weinauswahl Zugriff auf einen gut gefüllten Keller mit der einen oder anderen Rarität. Küchenchef ist der 37-jährige Daniel Schimkowitsch, der in der Foodszene schon länger als großes Nachwuchstalent gehandelt wird. Nach 5 ½ Jahren beim 3-Sterne-Koch Christian Jürgens folgte die erste Stelle als Küchenchef im Restaurant Tramin in München, das 2012 mit einem Stern gekrönt wurde. Ein ebensolcher ziert nun auch das L.A. Jordan in Deidesheim.
Klassisch französische Küche erweitert Schimkowitsch mit asiatischen Aromen und Techniken. Die Tellersprache ist reduziert, im Fokus stehen in der Regel ein oder zwei der hochwertigen Produkte, die sich Schimkowitsch aus allen Teilen der Welt liefern lässt. Wie Julien Walther kürzlich feststellte, orientiert sich das sehr stark an César Ramirez Chef‘s Table. Gemüse muss sich beim Sternkoch klar mit einer Rolle als Sidekick begnügen. Ein vegetarisches Menü gibt es nur auf Anfrage und zum identischen Preis wie das reguläre Menü. Da sich dessen (nicht geringer) Preis wohl zu einem großen Teil mit Qualität und Preis der Grundprodukte (Kaviar, Thunfisch, Wagyu) rechtfertigen lässt, ist diese Preisgestaltung für mich nicht ganz nachvollziehbar. Es ist nicht zu leugnen, dass ein alternatives Menü zu Extraaufwand führt, aber den könnte man eben auch in beide Menüs zu gleichen Teilen einpreisen. Nun gut, die unter Genussfreunden umstrittene Frage, welche Rolle die Nachhaltigkeit im Fine Dining spielen sollte, werden wir an dieser Stelle nicht abschließend beantworten können.
Im Vergleich zu früheren Jahren scheint Schimkowitsch sich stärker auf klassische Aromenkombinationen zurückzubesinnen. Schöne Frechheiten wie das Dessert mit Waldbeeren und Schalotten, das hier im August 2020 serviert wurde, gibt es leider – mit Ausnahme des ersten Ganges – heute nicht und das ist wirklich schade. Sicherlich schere ich hier aus der Masse der Foodblogger etwas aus, aber für mich macht Reduktion vor allem Freude, wenn dadurch auch die unverwechselbare Essenz eines Gerichts zum Vorschein kommt, wie es etwa beim Kürbisfoccacia mit Blauschimmelsirup von Björn Swanson oder der veganen „Sauerbratensoße“ aus drei Zutaten von Ricky Saward der Fall ist. Das Wagyu mit Zwiebelpüree und Trüffel, wie es Schimkowitsch serviert, ist sehr gut und von unzweifelhafter Qualität, aber – die Frage sei erlaubt – auch von hohem Wiedererkennungswert?
Die von Schimkowitsch sorgsam ausgewählten Luxusprodukte auf dem Teller werden folgerichtig auf feinstem Porzellan von Hering und mit Silberbesteck von Robbe & Berking serviert. Auch sonst lässt man sich bei der Ausstattung nicht lumpen. Das Ambiente des durch hohe Säulen gegliederten Speisesaals ist mit moderner Kunst ausgestattet und wirkt etwas kühl. Schade, denn der Raum hat mit seinen hohen Decken durchaus großes Potential. Der angrenzende Wintergarten hat, das sei nicht unterschlagen, allerdings viel Atmosphäre und Grandezza.
Das 8-Gang-Menü beginnt mit zwei gefälligen Snacks:
Nummer 1: Kalbstatar mit Koriandercreme, knusprig frittiertem Kalbsbries und frittierten Kapern.
Nummer 2: Papadam mit geschmorten Möhren, Brunnenkressecreme und einer Frisur aus Friseesalat und Kresse.
Ein solider Start, der jedem gefallen dürfte, jedenfalls wenn es sich nicht um eine Vegetarierin handelt, denn eigentlich hatten wir auch ein vegetarisches Menü vorbestellt. Bevor wir etwas sagen konnten, war der Fehler vom Serviceteam aber schon entdeckt und ein Austausch angeboten.
6/10
Es folgt ein Tatar aus Big Salmon, das sich sein etwas salzwässriges Habitat mit recht vorlauten Zwiebelwürfeln und Lachscaviar teilt. Bedeckt wurde das Ganze mit Espuma vom Burrata und einer großzügigen Menge an getrockneten Shisoblüten, die dem Gericht leider eine leicht seifige Note verleihen. Einige Gänge später wurde Shiso als Begleitung zum Lamm wesentlich besser eingesetzt.
4/10
Der Borschtsch hingegen ist wahres Soulfood. Die wunderbare Enten-Consommé mit gezupftem Entenfleisch, Entenleber, Roter Bete und Tamago (Japanischer Eierstich) vereint gekonnt Deftigkeit und Eleganz.
8/10
Der erste offizielle Gang hat es gleich in sich. Blumenkohl-„Couscous“ mit Kombu, Kujo Negi und Yuzu aromatisiert und umamisiert, wird von einem Seeigel-Eis begleitet, das ebenfalls viel Umami hat. Das süßliche Eis harmoniert hervorragend mit der großzügigen Nocke salzigem N25 Kaluga Kaviar. Bemerkenswert wie Schimkowitsch die kräftigen Aromen in der Balance hält. Großartig auch das Spiel der verschiedenen Texturen. So darf es weitergehen!
10 /10
Für den nächsten Gang holt Schimkowitsch die Luxusprodukte Balfego Blu fin Tuna (Rücken und Bauch) und Trüffel in den kulinarischen Boxring. Einen Kampf, den der Trüffel schließlich für sich entscheidet. In der Mitte befindet sich etwas Haferwurzel - roh in Streifen und frittiert als Würfel, die eher der Konsistenz als dem Geschmack dienen. Zusammen mit etwas Queller sitzen diese auf Ricotta, der leider eine recht dominante und langanhaltende Textur hat, die den schönen Schmelz des Thunfischs überdeckt. Schade! Das Gericht wird komplettiert durch eine Ponzu-Vinaigrette, ein japanisches Pfefferblatt und ein wenig Yuzuschaum.
6/10
Die Meerbarbe aus Portugal mit einem Anstrich aus Sobrasada und Escabeche-Sud ist geschmacklich sehr gut, aber ein klein wenig zu weit gegart. Schönes Spiel aus Säure, Süße und Schärfe. Kleine Akzente setzen Thai-Basilikum und Austernkraut, die im Bündel abgelegte Schnittlauchkresse ist allerdings etwas schwer zu portionieren. Beim Versuch, die Haut der Barbe ohne Messer zu zerteilen, stellt sich der Tester etwas ungeschickt an und zerstört das schöne Tellerbild. Egal, der Geschmack zählt ja bekanntlich!
7 ½ /10
Die gedämpfte Königskrabbe aus Norwegen hat im nächsten Gang wirklich einen royalen Auftritt. Fein geschnittene Filets von der Moro-Orange und Fenchel und eine wolllüstige Krustentier-Soße mit Koji nehmen ihre Rolle als Fußvolk vorbildlich ein. Soulfood pur.
8/10
Aromatisch großartig ist der St. Pierre aus Noirmoutier, der eine fast schon fleischige Qualität aufweist. Dekoriert ist er mit einer der ersten Morcheln des Jahres, gefüllt mit einer Farce. Ein aromatischer Mangoldsud, Mangold, Brunnenkresse und Lauchöl passen sich perfekt ein. Auch ein sehr guter, klassischer Gang!
8/10
Perfekt zubereitet ist das Lamm vom Gutshof Polting, dass auf der Fettseite eingeschnitten und knusprig gebraten wurde. Das Fleisch wunderbar bis zum Rand rosa und saftig. Einen Aha-Moment ruft die Shiso-Emulsion hervor, die das perfekte Flavorpairing zum Lamm darstellt. Die Kartoffel wurde 48 Stunden Sous-Vide gekocht und ist noch etwas al dente. Doch deren Reiz erschließt sich dem Tester nicht ganz, denn so kann sie die herrliche Kompot-Pfefferjus gar nicht richtig aufnehmen. Egal, wir löffeln den letzten Rest einfach so!
8 ½ /10
Zum Abschluss des salzigen Teils zückt Schimkowitsch erneut den Trüffelhobel. Diesmal fallen die zarten Perigord-Trüffelblätter auf kurz gegrilltes Miyazaki Wagyu A5. Eine kleine Portion Zwiebelpüree und gedünstete weiße Zwiebel schämen sich offenbar, ob der Präsenz der beiden Luxusprodukte und verstecken sich unter dem Fleisch. Abgerundet wird der Teller mit einer Merlotessigjus. Wer Fleisch und Trüffel satt mag, wird hier sicherlich glücklich werden, mir ist es an dieser Stelle des Menüs zu mächtig, es fehlt eine frische Komponente zum Ausgleich. Auch wenn hier charakterstarke Produkte auf dem Teller liegen, bleibt der Charakter des Gerichts im Ganzen leider etwas blass.
6/10
Predessert aus drei Komponenten (Kokosmousse, teilweise als stickstoffgefrorene Perlen, Mandarinensorbet und Mandarinen-Champagner-Sud) ist lecker und erfrischend. Die Mousse ist für meinen Geschmack einen Tick zu fest geliert und verbindet sich daher im Mund nicht so gut mit den anderen Komponenten. Das ist zweifellos lecker, bleibt aber wie der letzte Gang etwas blass.
6/10
Wunderschön kommt das Dessert daher: Auf einer Ganache von Original Beans Udzungwa 70% thront eine Quenelle von einem unglaublich intensiven Eis von der Tahiti-Vanille, das mit Cassis-Sirup und Karamellsirup (???) dekoriert wurde. Knuspriger Quinoa und Schokoladenbrownies bringen Textur. Getoppt wird das Dessert mit einer knusprigen Schokoladenkaramellschale, gefüllt mit einem Johannisbeergranité. Ein komplexes Dessert das Spaß macht! Bravo!
9/10
Das Menü wird mit einem Reigen aus köstlichen Kleinigkeiten abgerundet: Kardinalschnitte, Haselnussmacarons, hervorragend gemachte Pralinen mit dünner Hülle (Grüner Tee und Misokaramell), Choux au Craquelin mit Rum und eine Füllung aus Dulce de Leche, aromatisiert mit etwas Yuzu.
9/10
Fazit:
Wer sehr gut zubereitete, proteinhaltige Luxusprodukte mit Umami-Schwerpunkt und klassischer Aromenarchitektur liebt, der wird im L.A. Jordan glücklich werden.