Tatar vom Weiderind
Tatar vom Weiderind
Ein Gericht steht im Mittelpunkt der Reihe „The Dish“. Ein Gericht, das geschmacklich und konzeptionell heraussticht, für das jeweilige Restaurant steht. Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Was hat sich der Koch dabei gedacht? Woher stammen die Zutaten. Ein Deep Dive in den Teller quasi.
Tatar oder nicht Tatar – das ist hier die Frage! Zwar nicht ganz so existenziell wie bei Hamlet, aber doch eine, die sich mir immer wieder stellt, wenn der nächste Besuch im Knausbira Stüble ansteht. Man könnte meinen, eine rhetorische, aber ganz so weit ist es dann doch nicht her mit mir und dem rohen Fleisch. Trotzdem bestelle ich dieses Gericht immer wieder, entweder für mich alleine als Vorspeise oder auch zum Teilen im Starter-Paket einer größeren Runde. So macht’s im Knausbira Stüble nämlich am meisten Spaß: Wenn man sich nicht entscheiden muss, sondern einfach die Karte einmal runter bestellen kann.
Die Oberschale vom Staufer Rind ist akkurat in feine Würfelchen geschnitten und kommt bereits fertig mariniert im klassischen Kreis auf den Teller. Obendrauf ein bisschen Crunch vom gerösteten Vinschgauer, Tupfen von Kräutermayo und Sauerrahm sowie der Jahreszeit entsprechend ein Streifen roh aufgehobelter Hokkaido. Das Dressing hat eine dezente, aber doch spürbare Schärfe und kommt sehr leicht mit etwas zitrischem Anklängen daher. Den Limettenabrieb konnte ich herausschmecken, die Ponzu-Sauce hatte mir dann Gabriel verraten. Ansonsten sind die klassischen Komponenten in der Grundmarinade, die vor dem Anrichten immer noch einmal mit frischem Abrieb, Olivenöl und fein geschnittenem Schnittlauch aufgepeppt wird.
Die Idee zum Gericht hatte Gabriel 2019 aus dem Miil in Tscherms/Südtirol mitgebracht, wo er nach der Ausbildung in Oettingers Restaurant in Fellbach und Station im Hirsch in Monakam/Bad Liebenzell zwei Jahre kochte. Seitdem ist das Tatar auf der Karte und wird nur für die Gänsezeit vor Weihnachten runter genommen. Im Miil war es bereits ein „signature dish“ und auch im Knausbira Stüble wird es nach anfänglichen Anpassungen nicht mehr wesentlich verändert. Das Staufer Rind kommt aus der Region, die Marinade ist fein püriert und die Toppings werden der Jahreszeit nach leicht variiert. Immer etwas Crunch, immer eine Kräutermayo in unterschiedlicher Zusammensetzung und eine frische Komponente mit Kresse, Kürbis oder was gerade Saison hat.
Ebenso ist auch das Knausbira Stüble eine Institution im kulinarisch eher überschaubaren Stuttgart. Gegründet von den Eltern vor mehr 30 Jahren, steht Gabriel jetzt gemeinsam mit seinem Vater Hendrik Schallmeir in der Küche. Zusammen wird hier noch wirklich handwerklich gekocht und neben den Klassikern wie Maultasche, Kartoffelsalat und Wiener Schnitzel auch immer wieder spannende Abwechslungen in die Karte gebracht. Diese reichen von selbst gemachten Knödelvariationen über Ceviche vom Seefisch bis hin zum pochiertem Ei mit Parmesanschaum und Steinpilzen. Wie schon gesagt: Am besten einfach alles bestellen - das macht die Entscheidungsfindung mindestens einfacher oder bestenfalls unnötig.
Zu dieser herausragenden Kulinarik kommen auch noch eine ausgeprägte Gastfreundschaft und eine interessante Weinkarte hinzu, so dass ich wohl kein anderes Restaurant in den letzten 12 Monaten häufiger besucht habe. Denn es ist ganz toll, dass oft konträr verstandene Begriffe hier eine wunderbare Verbindung miteinander eingehen: Tradition und Moderne, Gasthaus und Fine Dining, Vater und Sohn - alles vereint in Qualität und Genuss.
Knausbira Stüble
Heumadener Straße 15
70329 Stuttgart
Instagram: @knausbira_stueble
Text und Foto: Markus Fütterer
Instagram: @der_fuetterer