Hohenloher Weiderind, Dillbohnen, confierte Annabelle Kartoffel
Hohenloher Weiderind, Dillbohnen, confierte Annabelle Kartoffel
Ein Gericht steht im Mittelpunkt der Reihe „The Dish“. Ein Gericht, das geschmacklich und konzeptionell heraussticht, für das jeweilige Restaurant steht. Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Was hat sich der Koch dabei gedacht? Woher stammen die Zutaten. Ein Deep Dive in den Teller quasi.
Otto Bachmaier – Teres Major vom Hohenloher Weiderind mit konzentriertem Bratenfond, Dillbohnen, confierter Kartoffel und Dijonsenfschaum
In der Kunst geht es darum, einen eigenständigen Stil zu entwickeln, um sich richtig zu etablieren. In der Küchenkunst ist es nicht anders. Das eigene Profil macht die Köchin – und in diesem Fall den Koch: Otto Bachmaier hat genau das geschafft. Seine Kreationen sind Markenzeichen und die treue Stammkundschaft aus Heilbronn und der Umgebung honoriert es. Ein halbes Jahr im Voraus zu reservieren, empfiehlt sich, auch wegen der geringen Anzahl an Tischen im familiären Ambiente.
Manchen mag das verwundern, denn auf den ersten Blick kommen die Gerichte im Restaurant Bachmaier wenig hip, sondern unaufgeregt daher. Klassisch Französisch und solide, zumindest auf der Karte. Auf dem Teller hingegen offenbart sich im Laufe eines Abends stets ‚das gewisse Etwas‘. Oder weniger geziert beschrieben: der Gast wiegt sich meist in harmonischer Komposition, bekommt aber auch mal mutig einen auf die Zwölf, natürlich überaus fein abgeschmeckt und stilvoll. Aber eben auch so, dass keine Langeweile aufkommt. Nein, hier gibt es keine Scheu auch mal ein Statement aus der korallenrot gekachelten Küche herauszutragen.
Der Hauptgang, das feine und als Geheimtipp gehandelte Metzgerstück „Teres Major“ ist ein Beispiel für den unaufgeregten Stil und perfektes Handwerk, exzellent im Geschmack und von regionaler Herkunft. Mit konzentriertem Fond und confierter Kartoffel. Ansprechend angerichtet, ein Wohlfühlessen, ungezwungen, das nicht nur von der cremigen Annabelle abgerundet wird, sondern insbesondere auch von den intensiven Dillbohnen. Den natürlichen Geschmack unterstreichend, scheint diese klassische Kombination gerade wegen seiner Einfachheit fast in Vergessenheit geraten zu sein: Bohnen blanchiert, in der Pfanne geschwenkt und mit Dill abgeschmeckt. Dazu der luftig-leichte Dijonsenfschaum obenauf – der Fokus liegt Gang um Gang auf dem natürlichen Geschmack: vermeintlich einfach, aber ziemlich gekonnt. Wer Gourmet-Essen jedoch vor allem mit verspielten Tüpfelchen-Chi-chi verbindet, die sich in homöopathischen Mengen auf dem Teller verteilen, wird hier mit Klarheit getröstet. Und womöglich müssen es auch gar nicht ständig die abgefahrene neue Geschmackserlebnis sein, bei denen man manchmal gar nicht genau weiß, wie oft im Jahr der Gaumen solche außergewöhnlichen Überraschungseffekte wirklich will. Vielleicht ist die Einfachheit sogar eine Wohltat, diese Konzentration auf das ehrliche, natürliche Gute, gerade in den heutigen aufwühlenden Zeiten.
Spannend ist jedenfalls: Ohne es zu beabsichtigen und so ganz ohne Moral, führt uns der Gang zu Altbekanntem zurück: weg von modernen Trends, hin zum natürlichen Geschmack der Bohnen und dem Hauch Dijon. Bewährtes hat Bestand und darf vor allem dann gerne bleiben, wenn es handwerklich derartig gut gemacht ist. Ulrike Bachmaier ist bei diesem Thema allerdings zurückhaltend, fast amüsiert. Sie schmunzelt und sagt ein bisschen ironisch: „Wir sind halt Dinosaurier“. Und dann empfiehlt sie Auguste Escoffier als Lektüre, den Begründer der modernen Haute Cuisine. Die Genialität der Kombinationen und diese Einfachheit war schon einmal da – Escoffier revolutionierte die Kochkunst mit seiner Überzeugung, dass eine starke emotionale Verbindung zu den Gästen durch die sorgfältige Zubereitung von Speisen geschaffen werden kann. Und davon kann sich jeder, der im Bachmaier essen geht, selbst überzeugen.
Und spätestens vor Ort wird den Gästen dann auch schnell klar: wäre das Ehepaar aus dem Bayerischen wirklich dinosauriermäßig unterwegs und einem altbewährten Spirit verpflichtet, dann würden mutige Statements in den Gängen fehlen. Und dann wäre der Gastraum nicht so, wie er ist, sondern womöglich holzvertäfelt. Aber das Holz, das Wirtshaus-Flair, die harten Stühle und das harte Biergarten-Business ließ das Ehepaar schon vor Jahrzehnten, mit dem radikalen Abbruch der Zelte in Bayern und mit dem Umzug nach Heilbronn, hinter sich. Ob der Zwei-Personen-Betrieb viel weniger anstrengend ist, darf aber bezweifelt werden. Dennoch ist der Gedanke an ein Biergartenflair beim Anblick des heutigen Bachmaiers fern: Ulrike Bachmaier würde man in ihrer Erscheinung eher in einer Galerie verorten: Zwar anpackend und hochprofessionell herzlich, aber zugleich auch dezent, schwebend, zwischen Kunstwerken statt Gästen und Restauranttischen. Umso schöner und faszinierender ist es, hier ästhetisch ansprechend, gemütlich schmausend zu sitzend und das Spiel der runden Formen und eckigen Konturen in ihrer Wirkung zu erkunden. Ja, da sind sie wieder diese Statements: extrovertierte silberne Lampen, bewusste Akzente, eine kakigrüne Wand als Komplementärfarbe neben den korallenroten Kacheln der Küche. Eine eigene, ganz besondere Textur. Als spiegelte sich der Stil der Küche und der Geschmack der Teller auch beim Anblick in den Raum wider.
Restaurant Bachmaier
Untere Neckarstraße 40
74072 Heilbronn
Text und Foto: Katharina Müller
Instagram: @katharina_patatina