Geschmorte Karotten mit gepufftem Quinoa, gebeiztem Eigelb und Tandoori-Schaum.
Geschmorte Karotten mit gepufftem Quinoa, gebeiztem Eigelb und Tandoori-Schaum.
Ein Gericht steht im Mittelpunkt der Reihe „The Dish“. Ein Gericht, das geschmacklich und konzeptionell heraussticht, für das jeweilige Restaurant steht. Welche Geschichte verbirgt sich dahinter? Was hat sich der Koch dabei gedacht? Woher stammen die Zutaten. Ein Deep Dive in den Teller quasi.
„Geschmorte Karotten“ liest man auf der Karte des in der Züricher Innenstadt gelegenen Restaurants „Neue Taverne“ und ist überrascht. Bin ich hier richtig? Ist das wirklich das Sternerestaurant, in welchem ich reserviert habe? Aber ja! Und wer einmal die Gerichte von Küchenchef Fabian Fuchs verkostet hat, weiß, dass man auf der Suche nach Umami hier sein Mekka gefunden hat und wahrlich kein Fleisch oder Fisch vermisst. Selten habe ich so viel Intensität erlebt.
Um das zu erreichen hat sich Fuchs intensiv mit Produkten und Kochtechniken beschäftigt. Tiefe erreicht er beispielsweise durch die Fermentation von Pilzen, das Räuchern von Eigelb und Gemüse oder Dehydrieren von glutamathaltigen Gemüsen wie Tomaten. Gemüsesäfte oder Fonds werden stundenlang reduziert, bis sie teilweise schon sirupartig sind. Unterstützt wird das Ganze durch heimisches Miso aus der Bergackerbohne, das er von der kleinen Manufaktur „das Pure“ von Patrick Marxer bezieht.
Für das Karottengericht verwendet Fuchs die liegengebliebenen Karotten auf dem Feld, die nicht der Norm entsprechen und es deshalb nicht in den Großhandel schaffen würden. Angebaut werden diese von Bauer Matthias Hollenstein, der sich der „regenerativen Landwirtschaft“ verschrieben hat. Dabei geht es darum, den Boden nicht nur zu schonen, sondern sogar die Humusschicht wieder aufzubauen und die biologische Vielfalt zu erhöhen. Die Karotten von „SlowGrow“ werden auf dem Hof lange gelagert, verlieren Feuchtigkeit und gewinnen an Aroma und Süße. In einem dichten Schmorfond werden sie anschließend langsam geschmort und intensiviert. Anschließend wird der Fond sirupartig eingekocht und die Möhren kurz vor dem Servieren wieder damit glasiert. Dazu kombiniert der Spitzenkoch einen Tandoori-Gewürzschaum auf der Basis von Karottensaft. Die indisch inspirierte Gewürzmischung stellt er selbst aus Paprika, Fenchelsamen, Curry, Kurkuma, Pfeffer und Kümmel her.
Etwas frittierter Quinoa und gebeiztes Eigelb komplettieren das reduzierte, aber effektive Gericht. „Bäm!“ kann man da nur sagen und mit der Hand vor Freude auf den Tisch hauen. Jedenfalls habe ich Karotten noch nie so intensiv gegessen!
Trotz vieler Auszeichnungen hat das vom Schweizer Koch und Caminada-Schüler Nenad Mlinarevic betriebene Restaurant gemütlichen Wirtshauscharakter. Der komplette Gastraum ist zurückhaltend mit warmem Holz verkleidet, das Personal authentisch freundlich und das Menü für Schweizer Verhältnisse fast schon unverschämt preiswert. Während anderenorts die Fine-Dining-Gastronomen unter der Woche das Restaurant leider nicht annähernd füllen können, wird in der „Neuen Taverne“ mit zwei Seatings gearbeitet.
Hervorzuheben ist auch die äußerst gelungene alkoholfreie Begleitung, die man auch ohne korrespondierendes Essen wunderbar genießen könnte. Wasabi-Ingwer-Limonade, Vanille-Birne-Shrub oder Rote-Bete-Sirup mit Getreidemilch werde ich jedenfalls ab jetzt fest in mein Repertoire aufnehmen.
Fazit: Die „Neue Taverne“ ist nicht nur etwas für Veganer und Vegetarier, sondern kann, davon bin ich fest überzeugt, auch jeden Carnivoren mit viel Geschmackstiefe glücklich machen!
Restaurant Neue Taverne
Glockengasse 8
CH-8001 Zürich
instagram: @neuetaverne.zurich
Text und Fotos: Tobias Henrichs
Instagram: @tobias__henrichs