Tischgespräch mit The Anh Nguyen

Tischgespräch mit The Anh Nguyen
Gesunde, genussvolle Erlebnisse statt asketische Leiden

The Anh Nguyen ist neben Jules Winnfield Betreiber des vegetarischen Cocktail-Bistros Bonvivant in Berlin Schöneberg.
Wenn das Bonvivant ein Gemüse wäre, welches wäre es und warum?
Eros Spargel, eine Ursorte des Spargels, die nur noch wenige Bauern anbauen. Sie haben noch den ursprünglichen Geschmack, der nicht weggezüchtet wurde. Mehr Bitternoten und einen leichten Eigengeschmack. Die neuen Spargelsorten schmecken alle gleich wie ein Einheitsbrei.
Was wäre dein Lieblingsteller heute Abend und warum?
Geschmacklich Blumenkohl, zum Reinlegen, könnte man jeden Tag essen. Ein Gericht, welches nicht zu komplex erscheint, aber über enorme Aromnenvielfalt verfügt. Der Blumenkohl - eine der nachhaltigsten Kreationen, da es ein Paradebeispiel der Zero-Waste-Küche ist: Der gesamte Blumenkohl wird von Kopf bis Fuss verwendet und stammt vom Bio-Bauernhof aus der Region. Als Einstieg und für das Auge dann vielleicht eher die Deep Purple Möhre.
Was bedeutet das Konzept „Leaf to Root“ für euch?
Als Pendant zu "Noise to Tail" bei Gemüse. Viele der einzelnen Komponenten von Gemüse kommen normalerweise in den Müll, aber wenn man Zeit, Muße & Kreativität hat, kann man tatsächlich alles verarbeiten. Gutes Beispiel aktuell sind die Blätter beim Blumenkohl, die fast jeder wegschneidet und in die Tonne kloppt. Wir machen stattdessen Chips draus. Lecker und eine knusprige Ergänzung.
Was kommt euch nicht in die Küche?
Die Liste ist lang. Convenience und Fertigprodukte, wir legen noch Wert auf echte Handarbeit. Die Azubis müssen was lernen und die Köche haben es gelernt, wieso also nicht anwenden. Offensichtlich Fleisch & Fisch. Weil es uns besser schmeckt und die Vielfalt von Gemüse die von Fleisch weit übertrifft. Ansonsten nicht-saisonale & eingeflogene Produkte. Deshalb ändert sich die Karte bei uns auch so oft, weil wir natürlich auf die Saison der jeweiligen Bauern angewiesen sind.
Was erzählt euer besonderes Gebäude?
Die Front des fünfgeschossigen Eckhauses, 1894 bis 1895 für die Bauherren Julius und Louis Oppenheim nach Plänen des Leipziger Architekten Richard Landé errichtet, besteht aus glasierten und kunstvoll angeordneten Klinkern; dazwischen sind unbehandelte Ziegelsteine. Und dazu die vielen Dekorelemente. Mehr möchten wir nicht verraten, es soll ein beindruckendes und geheimnisvolles Gebäude bleiben.
Warum soll ich nach dem Brunch auch abends zu euch kommen?
Das generelle Feeling bei einem Essen bei uns ändert sich komplett mit der Uhrzeit. Abends liegt der Fokus dann doch mehr auf dem Trinken und Zusammensein (Vorausgesetzt, es herrscht keine weltweite Pandemie).
Was war die größte Herausforderung für den Neustart nach dem Lockdown?
Das Hygiene - & Maßnahmenwirrwarr des Berliner Senats verstehen und umsetzen und die Gäste zurückbekommen.
Was sagt euer Interieur über eure Küche aus?
Es ist sehr farbenfroh und trotzdem sehr harmonisch. Unsere Küche steht für gesunden Genuss mit gutem Gewissen.
Warum hat eure vegetarische Küche nichts mit selbst geklöppelten Schuhen zu tun?
Weil wir gesunde genussvolle Erlebnisse schaffen anstatt asketisches Leiden.
Was bedeutet Slow Food für euch?
Einfach gesagt, den Bezug zum Lebensmittel in seiner ursprünglichen Form herstellen und erhalten: Wie es aussieht, wo es wächst, was für Menschen es großziehen, ernten und verarbeiten.
Warum ist das Bonvivant der beste Ort für den Ausklang einer Schöneberger Sommernacht?
Weil wir mit leckeren Cocktails und vegetarischem Essen die Anleitung zum lustvollen Leben bieten.
Beende bitte folgende Satzanfänge:
An einem Tag, an dem alles super läuft, trinkt ihr… Momo: Vodka, Jules: Hennessy, The Anh: Ginger Ale.
Der verrückteste Teller, den wir je serviert haben, war… ein Gericht mit selbst gemachtem Kimchi & Kiwano. Die Kiwano (Horngurke) ist eine verrückte Frucht. Erinnert an eine gelbe Gurke mit Stacheln und hat fette dicke Samen.
Unsere Gäste… lieben wir.
Danke, The Anh.
Bonvivant Cocktail Bistro
Goltzstraße 32, 10781 Berlin
Tel: 0176 61722602
Michaela Bauer ist freie Autorin. Auf ihrem Blog Geschmackssinniges berichtet sie über kulinarische Auffälligkeiten, verfasst unkonventionelle Restaurantkritiken und stellt freche Fragen.
Foto © Michaela Bauer