Lamm, Aspach - Video und Bericht

Lamm, Aspach - Video und Bericht
Auf dem Weg nach oben seine Gäste mitnehmen. So geht's!
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Verlässt man das Stuttgarter Stadtgebiet ein wenig, wird es schnell ländlich und ruhig. Rustikale Gasthäuser und Weinstuben in den nördlich angrenzenden Weingebieten rund um das Remstal und Heilbronn warten mit bodenständiger, solider Küche auf. Auch Spitzenrestaurants gibt es hier einige.
Es wurde - nach einer Reihe von urbanen Restaurants - daher wieder höchste Zeit für etwas Entschleunigung und Ländlichkeit.
Mein heutiges Ziel ist das Restaurant Lamm in Aspach nahe Backnang, rund vierzig Kilometer von Stuttgart entfernt. Auf das Lamm bin ich mehr oder weniger über Instagram gekommen. Ein junges Team kocht hier seit März diesen Jahres auf scheinbar höchst ambitioniertem Niveau bodenständige Gerichte mit kreativem und internationalem Twist. Ein guter Grund nach Aspach zu fahren, welches vor allem von Schlagerfreunden und Fans von Andrea Berg besucht wird.
Alexander Hilt ist der neue Küchenchef und Pächter, nachdem das Restaurant über drei Jahre lang geschlossen war. Ein Geschäftsmann aus der Region hatte zuvor große Summen in das Gasthaus investiert, es aufwendig restaurieren lassen, und mit einer großzügigen Terrasse und einer Zigarren-Lounge ausgestattet.
Mit seinen erst vierundzwanzig Jahren hat Alexander Hilt schon bereits einige Küchenstationen hinter sich gebracht. So absolvierte er seine Ausbildung im Tafelhaus in Backnang. Anschließend arbeitete er auf Burg Staufeneck* als Entremetier und schnupperte Sterneküche. Eine günstige Gelegenheit brachte ihn mit seiner Verlobten Jule Kappeller nach Aspach, wo er die Institution Lamm nach 3 Jahren wiederbeleben will. Mit Manuel Friz hat Hilt einen alten Weggefährten und Freund für das Projekt gewinnen können.


Schon wenn man den Eingangsflur betritt, hat man als erstmaliger Gast nicht unbedingt das Gefühl einen gewöhnlichen Landgasthof zu betreten. So oder so ähnlich wirkt das Gebäude im Herzen Aspachs nämlich von außen. Geschmackvolle, mit Schieferplatten verkleidete Innenwände, Vitrinen und mondäne Beleuchtung sorgen für den ersten Aha-Moment. Der Gastraum hingegen wirkt wieder ländlich mit rustikaler Holzvertäfelung und gemütlicher Wirtshausatmosphäre. Die wesentlich modernere, gemütliche Terrasse lädt zum Draußensitzen ein, ist uns aber an diesem brütend warmen Tag zu heiß. Der Aperitif des Tages, Sekt mit Holunderblütensirup, ist jetzt genau das richtige. Die Speisekarte des Restaurants bietet eine schöne Auswahl an gutbürgerlichen, klassischen, regional typischen Gerichten und ein Gourmetmenü in fünf Gängen an und erinnert grundsätzlich an viele gehobene Restaurants in der Region. Ich wähle das Gourmet-Menü mit fünf Gängen (€ 59,--) plus die äußerst fair kalkulierte Weinbegleitung (€ 25,--).

Nach einer kleinen Brotauswahl mit einem beherzt (gut) abgeschmeckten Knoblauch-Dip wird der erste Gang serviert: Ein handgeschnittenes Kalbstartar mit gebackenem Ziegenkäse-Taler und roter Beete.
Das handwerklich sehr schön gearbeitete Tartar ist perfekt temperiert und auf den erdig, säuerlichen rote Beete Sud abgestimmt, indem es ebenfalls säuerliche Elemente (Cornichons) enthält. Der cremige, herzhafte Ziegenkäse fügt sich schön ein und erzeugt ein angenehmes Geschmacksgefilde. Ein sehr schöner Start ins Menü!

Es geht weiter mit Jakobsmuscheln in einer Krustentier-Spargel-Suppe mit frischem Staudensellerie. Auch dieses Gericht gefällt mir sehr gut. Die Suppe ist schön süffig (ähnlich einer klassischen Spargelcrème) umgesetzt und eine willkommene Abwechslung zum übertriebenen, derzeitigen Blumenkohl-Jakobsmuschel-Trend. Auch die Jakobsmuscheln sind von guter Qualität und auf den Punkt gegart. Einzig und allein die sehr großen, fast rohen Staudensellerie-Stücke sind für meinen Geschmack etwas störend. Hier wären feine Brunoise oder kleinere Stücke etwas schöner gewesen, zumal sich der Sellerie so besser und unauffälliger in das Geschmacksbild integrieren ließe - alles Geschmackssache. Weiter so!

Im folgenden Fischgang repetiert Alexander Hilt dasselbe Schema, in dem er Seeteufel mit einem herzhaften Kartoffelschaum, Schalotten und Chorizzo kombiniert. Der toll abgeschmeckte Kartoffelschaum harmoniert sehr gut mit dem gut gegarten Seeteufel-Filet. Die Schalotten und ein Chorizzo Chip verhelfen dem Gericht zusätzlich zu noch größerer Herzhaftigkeit und textureller Vielfalt. Dabei bleibt das Gericht maximal zugänglich, unheimlich lecker und simpel zugleich. Eine mehr als runde Sache!

Als Hauptgang gibt es Lammhüfte, eingelegte Brombeeren, Pak Choi und Trüffelgnocchi. Die großzügig proportinierte, schön zarte Lammhüfte ist perfekt rosa gebraten und wird von den Beilagen gut eingefasst. Insbesondere die schön säuerlichen Brombeeren machen sich spitzenmäßig und eine dazu gereichte Sauce ist ebenfalls sehr gut gelungen. Die Trüffelgnocchi lassen zwar ihr Trüffelaroma etwas vermissen, was aber angesichts der aromatischen Sauce nicht weiter tragisch ist. Der Pak Choi befreit das Gericht mit seiner spezifischen, kohligen Note zusätzlich etwas mehr von Gutbürgerlichkeit. Einmal mehr, sehr gut.

Vor dem eigentlichen Dessert, folgt noch ein kleines, frisches pre-Dessert: Ein hervorragendes Grapefruit-Sorbet wird mit Sekt am Tisch aufgegossen. Ein netter kleiner Papillenreiniger voller Fruchtigkeit und Wohlgeschmack.

Das Hauptdessert folgt auf dem Fuß und besteht aus einem Holunder-Buttermilch-Eis mit dreierlei von der Kirchberger Erdbeere. Bisquit undBasilikum. Die populäre Aromenkombination ist hier als eine Art dekonstruierter Erdbeerkuchen schön umgesetzt. Auch optisch macht das Dessert einiges her. Der Basilikum ist dezent als Öl eingearbeitet und steuert eine feine, milde Herbheit bei. Lediglich die Gelatine-Perlen von Erdbeeren und Basilikum sind zwar optisch schön anzusehen, jedoch geschmacklich stumpf und texturell eher störend als bereichernd.

WEINBEGLEITUNG:
Natürlich kann man bei einer mit € 5,-- / Glas kalkulierten Weinreise keine großen Gewächse erwarten, jedoch war die ausgesuchte Weinbegleitung zum Menü sehr stimmig und gut ausgesucht.
1. Gang: Tartar |
Côte de Provence Rosé, Arbaude, Mas de Cadenet, 2017 |
2. Gang: Jakobsmuschel |
Domaine J. Laurens, Crémant de Limoux, Brut, Languedoc |
3. Gang: Seeteufel |
Schnaitmann, Grau. Weiß, trocken, 2017 |
4. Gang: Lamm |
Conde Waldemar, Rioja Reserva, 2011 |
5. Gang: Dessert |
Albrecht Schwegler, Achat, Kerner süß, 2008 |
Bei einem doppelten Espresso lasse ich das sehr gute Menü ausklingen. Jule Kappeller führte uns als Gastgeberin professionell und charmant durch den Abend. Die Wiederbelebung eines Traditionsgasthauses der Region ist definitiv geglückt.
FAZIT:
Alexander Hilt und Manuel Friz sind nicht nur ausgezeichnete Köche, sondern beweisen auch ein sicheres Händchen beim zeitgemäßen Spagat zwischen Gutbürgerlichkeit und Gourmetküche, ohne dabei alte Klischees zu bedienen. Mit ihrer herrlich unverkopften und enorm schmackhaften Küche wird das Lamm in Aspach sicher wieder zu einer renommierten Adresse in der Region aufsteigen.
Text, Video und Fotos © les-etoiles.de